seinen Theil Vernunft, sein Pensum Thä- tigkeit mit gutem Willen dem Genius sei- nes Geschlechts opfern.
4. Zum Besten der gesammten Mensch- heit kann niemand beitragen, der nicht aus sich selbst macht, was aus ihm wer- den kann und soll; jeder also muß den Garten der Humanität zuerst auf dem Beet, wo er als Baum grünet, oder als Blume blühet, pflegen und warten. Wir tragen alle ein Ideal in und mit uns, was Wir seyn sollten, und nicht sind; die Schlacken, die wir ablegen, die Form, die wir erlan- gen sollen, kennen wir alle. Und da, was wir werden sollen, wir nicht anders als durch uns und andre, von ihnen erlangend, auf sie wirkend, werden können: so wird nothwendig unsre Humanität mit der Hu- manität andrer Eins, und unser ganzes Leben eine Schule, ein Uebungsplatz der-
ſeinen Theil Vernunft, ſein Penſum Thaͤ- tigkeit mit gutem Willen dem Genius ſei- nes Geſchlechts opfern.
4. Zum Beſten der geſammten Menſch- heit kann niemand beitragen, der nicht aus ſich ſelbſt macht, was aus ihm wer- den kann und ſoll; jeder alſo muß den Garten der Humanitaͤt zuerſt auf dem Beet, wo er als Baum gruͤnet, oder als Blume bluͤhet, pflegen und warten. Wir tragen alle ein Ideal in und mit uns, was Wir ſeyn ſollten, und nicht ſind; die Schlacken, die wir ablegen, die Form, die wir erlan- gen ſollen, kennen wir alle. Und da, was wir werden ſollen, wir nicht anders als durch uns und andre, von ihnen erlangend, auf ſie wirkend, werden koͤnnen: ſo wird nothwendig unſre Humanitaͤt mit der Hu- manitaͤt andrer Eins, und unſer ganzes Leben eine Schule, ein Uebungsplatz der-
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ſeinen Theil Vernunft, ſein Penſum Thaͤ-
tigkeit mit gutem Willen dem Genius ſei-
nes Geſchlechts opfern.
4. Zum Beſten der geſammten Menſch-
heit kann niemand beitragen, der nicht aus
ſich ſelbſt macht, was aus ihm wer-
den kann und ſoll; jeder alſo muß den
Garten der Humanitaͤt zuerſt auf dem Beet,
wo er als Baum gruͤnet, oder als Blume
bluͤhet, pflegen und warten. Wir tragen
alle ein Ideal in und mit uns, was Wir
ſeyn ſollten, und nicht ſind; die Schlacken,
die wir ablegen, die Form, die wir erlan-
gen ſollen, kennen wir alle. Und da, was
wir werden ſollen, wir nicht anders als
durch uns und andre, von ihnen erlangend,
auf ſie wirkend, werden koͤnnen: ſo wird
nothwendig unſre Humanitaͤt mit der Hu-
manitaͤt andrer Eins, und unſer ganzes
Leben eine Schule, ein Uebungsplatz der-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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