sie auch ihre Plage redlich, und müßen beide Griechen und Wahlen Exempel seyn des andern Gebots Gottes, da er spricht: "Er solle nicht ungestraft bleiben, wer Gottes Namen misbraucht." Uns Deutsche hat keine Tugend so hoch gerühmet und wie ich glaube bisher so hoch erhoben und erhalten, als daß man uns für treue, wahrhaftige, beständige Leute gehalten hat, die da haben Ja Ja, kein Nein laßen seyn, wie deß viel Historien und Bücher Zeugen sind. Wir Deutsche haben noch ein Fünklein (Gott wolle es erhalten und aufblasen) von der- selben alten Tugend, nämlich, daß wir uns dennoch ein wenig schämen, und nicht gerne Lügner heißen, nicht dazu lachen, wie die Wahlen und Griechen, oder einen Scherz daraus treiben. Und obwohl die Welsche und Griechische Unart einreißet, so ist den- noch gleichwohl noch das übrige bei uns, daß
ſie auch ihre Plage redlich, und muͤßen beide Griechen und Wahlen Exempel ſeyn des andern Gebots Gottes, da er ſpricht: „Er ſolle nicht ungeſtraft bleiben, wer Gottes Namen misbraucht.“ Uns Deutſche hat keine Tugend ſo hoch geruͤhmet und wie ich glaube bisher ſo hoch erhoben und erhalten, als daß man uns fuͤr treue, wahrhaftige, beſtaͤndige Leute gehalten hat, die da haben Ja Ja, kein Nein laßen ſeyn, wie deß viel Hiſtorien und Buͤcher Zeugen ſind. Wir Deutſche haben noch ein Fuͤnklein (Gott wolle es erhalten und aufblaſen) von der- ſelben alten Tugend, naͤmlich, daß wir uns dennoch ein wenig ſchaͤmen, und nicht gerne Luͤgner heißen, nicht dazu lachen, wie die Wahlen und Griechen, oder einen Scherz daraus treiben. Und obwohl die Welſche und Griechiſche Unart einreißet, ſo iſt den- noch gleichwohl noch das uͤbrige bei uns, daß
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ſie auch ihre Plage redlich, und muͤßen beide
Griechen und Wahlen Exempel ſeyn des
andern Gebots Gottes, da er ſpricht: „Er
ſolle nicht ungeſtraft bleiben, wer Gottes
Namen misbraucht.“ Uns Deutſche hat
keine Tugend ſo hoch geruͤhmet und wie ich
glaube bisher ſo hoch erhoben und erhalten,
als daß man uns fuͤr treue, wahrhaftige,
beſtaͤndige Leute gehalten hat, die da haben
Ja Ja, kein Nein laßen ſeyn, wie deß viel
Hiſtorien und Buͤcher Zeugen ſind. Wir
Deutſche haben noch ein Fuͤnklein (Gott
wolle es erhalten und aufblaſen) von der-
ſelben alten Tugend, naͤmlich, daß wir uns
dennoch ein wenig ſchaͤmen, und nicht gerne
Luͤgner heißen, nicht dazu lachen, wie die
Wahlen und Griechen, oder einen Scherz
daraus treiben. Und obwohl die Welſche
und Griechiſche Unart einreißet, ſo iſt den-
noch gleichwohl noch das uͤbrige bei uns, daß
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/51>, abgerufen am 19.02.2025.
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