Laßet uns hören, was zu seiner Zeit der alte Luther darüber saget:
Deutsche, Deutschland.
Es ist zwar eine gemeine Klage in allen Ständen und Leben über falsche verlogne Leute, wie man spricht: "es ist keine Treu noch Glauben mehr." Die alten Römer haben solch Laster an den Griechen getadelt, wie auch Cicero sagt: "ich gebe den Grie- chen, daß sie gelehrte, weise, kunstreiche, geschickte, beredte Leute sind; aber Treu und Glauben achtet das Volk nicht." Wohlan, es hat auch solch untreu falsch Volk itzt lange her seine Strafe gelitten vom Türken, der sie auch baar-über bezahlet. Welschland hat es nachher auch gelernet, daß sie dörfen zusagen und schwören was man will und darnach spot- ten, wenn sie es halten sollen. Darum haben
Laßet uns hoͤren, was zu ſeiner Zeit der alte Luther daruͤber ſaget:
Deutſche, Deutſchland.
Es iſt zwar eine gemeine Klage in allen Staͤnden und Leben uͤber falſche verlogne Leute, wie man ſpricht: „es iſt keine Treu noch Glauben mehr.“ Die alten Roͤmer haben ſolch Laſter an den Griechen getadelt, wie auch Cicero ſagt: „ich gebe den Grie- chen, daß ſie gelehrte, weiſe, kunſtreiche, geſchickte, beredte Leute ſind; aber Treu und Glauben achtet das Volk nicht.“ Wohlan, es hat auch ſolch untreu falſch Volk itzt lange her ſeine Strafe gelitten vom Tuͤrken, der ſie auch baar-uͤber bezahlet. Welſchland hat es nachher auch gelernet, daß ſie doͤrfen zuſagen und ſchwoͤren was man will und darnach ſpot- ten, wenn ſie es halten ſollen. Darum haben
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0050"n="45"/><p>Laßet uns hoͤren, was zu ſeiner Zeit der<lb/>
alte Luther daruͤber ſaget:</p><lb/><p>Deutſche, Deutſchland.</p><lb/><p>Es iſt zwar eine gemeine Klage in allen<lb/>
Staͤnden und Leben uͤber falſche verlogne<lb/>
Leute, wie man ſpricht: „es iſt keine Treu<lb/>
noch Glauben mehr.“ Die alten Roͤmer<lb/>
haben ſolch Laſter an den Griechen getadelt,<lb/>
wie auch Cicero ſagt: „ich gebe den Grie-<lb/>
chen, daß ſie gelehrte, weiſe, kunſtreiche,<lb/>
geſchickte, beredte Leute ſind; aber Treu und<lb/>
Glauben achtet das Volk nicht.“ Wohlan,<lb/>
es hat auch ſolch untreu falſch Volk itzt lange<lb/>
her ſeine Strafe gelitten vom Tuͤrken, der ſie<lb/>
auch baar-uͤber bezahlet. Welſchland hat es<lb/>
nachher auch gelernet, daß ſie doͤrfen zuſagen<lb/>
und ſchwoͤren was man will und darnach ſpot-<lb/>
ten, wenn ſie es halten ſollen. Darum haben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[45/0050]
Laßet uns hoͤren, was zu ſeiner Zeit der
alte Luther daruͤber ſaget:
Deutſche, Deutſchland.
Es iſt zwar eine gemeine Klage in allen
Staͤnden und Leben uͤber falſche verlogne
Leute, wie man ſpricht: „es iſt keine Treu
noch Glauben mehr.“ Die alten Roͤmer
haben ſolch Laſter an den Griechen getadelt,
wie auch Cicero ſagt: „ich gebe den Grie-
chen, daß ſie gelehrte, weiſe, kunſtreiche,
geſchickte, beredte Leute ſind; aber Treu und
Glauben achtet das Volk nicht.“ Wohlan,
es hat auch ſolch untreu falſch Volk itzt lange
her ſeine Strafe gelitten vom Tuͤrken, der ſie
auch baar-uͤber bezahlet. Welſchland hat es
nachher auch gelernet, daß ſie doͤrfen zuſagen
und ſchwoͤren was man will und darnach ſpot-
ten, wenn ſie es halten ſollen. Darum haben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/50>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.