lich ists, daß Deutschland sollte stehen blei- ben, auch unträglich und unleidlich, wo solche Tyrannei, Wucher, Geiz, Muthwille des Adels, Bürgers, Bauers und aller Stände so sollten bleiben und zunehmen; es behielte zuletzt der arme Mann keine Rinde vom Brot im Hause, und möchte lieber oder ja so gern unter den Türken sitzen, als unter solchen Christen. Es stellen und zieren sich fast der mehrere Theil des Adels so lästerlich und so schändlich, daß sie damit dem gemei- nen Mann böses Blut und argen Wahn machen, als sei der ganze Adel durch und durch kein Nutze."
-- "Woher werden Tyrannen? Weil sie ihr Vertrauen auf ihre Macht setzen. Alle Weltweisen haben geklagt über die Beschwe- rung, so im Regiment ist; und daher pfle- gen auch die Tyrannen zu kommen, welche, wenn sie sehen, daß ihre Rathschläge und
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lich iſts, daß Deutſchland ſollte ſtehen blei- ben, auch untraͤglich und unleidlich, wo ſolche Tyrannei, Wucher, Geiz, Muthwille des Adels, Buͤrgers, Bauers und aller Staͤnde ſo ſollten bleiben und zunehmen; es behielte zuletzt der arme Mann keine Rinde vom Brot im Hauſe, und moͤchte lieber oder ja ſo gern unter den Tuͤrken ſitzen, als unter ſolchen Chriſten. Es ſtellen und zieren ſich faſt der mehrere Theil des Adels ſo laͤſterlich und ſo ſchaͤndlich, daß ſie damit dem gemei- nen Mann boͤſes Blut und argen Wahn machen, als ſei der ganze Adel durch und durch kein Nutze.“
— „Woher werden Tyrannen? Weil ſie ihr Vertrauen auf ihre Macht ſetzen. Alle Weltweiſen haben geklagt uͤber die Beſchwe- rung, ſo im Regiment iſt; und daher pfle- gen auch die Tyrannen zu kommen, welche, wenn ſie ſehen, daß ihre Rathſchlaͤge und
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lich iſts, daß Deutſchland ſollte ſtehen blei-
ben, auch untraͤglich und unleidlich, wo
ſolche Tyrannei, Wucher, Geiz, Muthwille
des Adels, Buͤrgers, Bauers und aller
Staͤnde ſo ſollten bleiben und zunehmen; es
behielte zuletzt der arme Mann keine Rinde
vom Brot im Hauſe, und moͤchte lieber oder
ja ſo gern unter den Tuͤrken ſitzen, als unter
ſolchen Chriſten. Es ſtellen und zieren ſich
faſt der mehrere Theil des Adels ſo laͤſterlich
und ſo ſchaͤndlich, daß ſie damit dem gemei-
nen Mann boͤſes Blut und argen Wahn
machen, als ſei der ganze Adel durch und
durch kein Nutze.“
— „Woher werden Tyrannen? Weil ſie
ihr Vertrauen auf ihre Macht ſetzen. Alle
Weltweiſen haben geklagt uͤber die Beſchwe-
rung, ſo im Regiment iſt; und daher pfle-
gen auch die Tyrannen zu kommen, welche,
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/44>, abgerufen am 16.02.2025.
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