Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

als dem Unwillen meines Beleidigten alle
meine Vorfahren Preis zu geben, die etwa
nicht verdient hätten, es zu seyn. Man
tadelte mich; ich rechtfertigte mich aber da-
mit, daß jeder Mann von Ehre, jeder
honette Mann meines Stammes sey, und
daß ich sonst keinen dafür erkennte.


"Gern würde ich unter einem gemäßig-
ten Klima leben, gern als Privatmann die
Freundschaft und Achtung würdiger Men-
schen verdienen, und dem entsagen, wor-
nach die Meisten lüsten und streben; aber ich
fühle zu sehr, daß wenn ich nicht Prinz
wäre, ich wenig seyn würde. Euch reicht
Euer Verdienst zu, geachtet, beneidet, be-
wundert zu werden; ich habe Ahnen, Wap-
pen, Titel, Einkünfte nöthig, um die Au-
gen der Menschen auf mich zu ziehen. Ein

als dem Unwillen meines Beleidigten alle
meine Vorfahren Preis zu geben, die etwa
nicht verdient haͤtten, es zu ſeyn. Man
tadelte mich; ich rechtfertigte mich aber da-
mit, daß jeder Mann von Ehre, jeder
honette Mann meines Stammes ſey, und
daß ich ſonſt keinen dafuͤr erkennte.


„Gern wuͤrde ich unter einem gemaͤßig-
ten Klima leben, gern als Privatmann die
Freundſchaft und Achtung wuͤrdiger Men-
ſchen verdienen, und dem entſagen, wor-
nach die Meiſten luͤſten und ſtreben; aber ich
fuͤhle zu ſehr, daß wenn ich nicht Prinz
waͤre, ich wenig ſeyn wuͤrde. Euch reicht
Euer Verdienſt zu, geachtet, beneidet, be-
wundert zu werden; ich habe Ahnen, Wap-
pen, Titel, Einkuͤnfte noͤthig, um die Au-
gen der Menſchen auf mich zu ziehen. Ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="91"/>
als dem Unwillen meines Beleidigten alle<lb/>
meine Vorfahren Preis zu geben, die etwa<lb/>
nicht verdient ha&#x0364;tten, es zu &#x017F;eyn. Man<lb/>
tadelte mich; ich rechtfertigte mich aber da-<lb/>
mit, daß jeder Mann von Ehre, jeder<lb/>
honette Mann <hi rendition="#g">meines</hi> Stammes &#x017F;ey, und<lb/>
daß ich &#x017F;on&#x017F;t keinen dafu&#x0364;r erkennte.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>&#x201E;Gern wu&#x0364;rde ich unter einem gema&#x0364;ßig-<lb/>
ten Klima leben, gern als Privatmann die<lb/>
Freund&#x017F;chaft und Achtung wu&#x0364;rdiger Men-<lb/>
&#x017F;chen verdienen, und dem ent&#x017F;agen, wor-<lb/>
nach die Mei&#x017F;ten lu&#x0364;&#x017F;ten und &#x017F;treben; aber ich<lb/>
fu&#x0364;hle zu &#x017F;ehr, daß wenn ich nicht Prinz<lb/>
wa&#x0364;re, ich wenig &#x017F;eyn wu&#x0364;rde. Euch reicht<lb/>
Euer Verdien&#x017F;t zu, geachtet, beneidet, be-<lb/>
wundert zu werden; ich habe Ahnen, Wap-<lb/>
pen, Titel, Einku&#x0364;nfte no&#x0364;thig, um die Au-<lb/>
gen der Men&#x017F;chen auf mich zu ziehen. Ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0098] als dem Unwillen meines Beleidigten alle meine Vorfahren Preis zu geben, die etwa nicht verdient haͤtten, es zu ſeyn. Man tadelte mich; ich rechtfertigte mich aber da- mit, daß jeder Mann von Ehre, jeder honette Mann meines Stammes ſey, und daß ich ſonſt keinen dafuͤr erkennte. „Gern wuͤrde ich unter einem gemaͤßig- ten Klima leben, gern als Privatmann die Freundſchaft und Achtung wuͤrdiger Men- ſchen verdienen, und dem entſagen, wor- nach die Meiſten luͤſten und ſtreben; aber ich fuͤhle zu ſehr, daß wenn ich nicht Prinz waͤre, ich wenig ſeyn wuͤrde. Euch reicht Euer Verdienſt zu, geachtet, beneidet, be- wundert zu werden; ich habe Ahnen, Wap- pen, Titel, Einkuͤnfte noͤthig, um die Au- gen der Menſchen auf mich zu ziehen. Ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/98
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/98>, abgerufen am 06.05.2024.