Das aber glauben Sie, daß die Poesie als eine Stimme der Zeit unwandel- bar dem Geiste der Zeit folge; ja oft ist sie eine helle Weißagung zukünftiger Zeiten. Lesen Sie in Stolbergs Jamben, 1784 gedruckt, (S. 66.) den Rath und mehrere Gedichte; lesen Sie mehrere, frühere und spätere Oden Klopstocks, und läugnen noch, daß auch auf Deutschen Höhen oder in ihren Thälern ein prophetischer Geist der Zeiten wehe. Schade nur, daß er nicht vernommen wird: denn um aller Deutschen Redlichkeit willen, welcher Mann von Ge- schäften läse ein Gedicht, um in ihm die Stimme der Zeit zu hören! --
Wir, meine Freunde, wollen den Gar- ten der Grazien und Musen in der Stille bauen. Verständiger Homer, edler Pin- dar, und ihr sanften Weisen, Pythago- ras, Sokrates, Plato, Aristoteles,
Das aber glauben Sie, daß die Poeſie als eine Stimme der Zeit unwandel- bar dem Geiſte der Zeit folge; ja oft iſt ſie eine helle Weißagung zukuͤnftiger Zeiten. Leſen Sie in Stolbergs Jamben, 1784 gedruckt, (S. 66.) den Rath und mehrere Gedichte; leſen Sie mehrere, fruͤhere und ſpaͤtere Oden Klopſtocks, und laͤugnen noch, daß auch auf Deutſchen Hoͤhen oder in ihren Thaͤlern ein prophetiſcher Geiſt der Zeiten wehe. Schade nur, daß er nicht vernommen wird: denn um aller Deutſchen Redlichkeit willen, welcher Mann von Ge- ſchaͤften laͤſe ein Gedicht, um in ihm die Stimme der Zeit zu hoͤren! —
Wir, meine Freunde, wollen den Gar- ten der Grazien und Muſen in der Stille bauen. Verſtaͤndiger Homer, edler Pin- dar, und ihr ſanften Weiſen, Pythago- ras, Sokrates, Plato, Ariſtoteles,
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Das aber glauben Sie, daß die Poeſie
als eine Stimme der Zeit unwandel-
bar dem Geiſte der Zeit folge; ja oft iſt ſie
eine helle Weißagung zukuͤnftiger Zeiten.
Leſen Sie in Stolbergs Jamben, 1784
gedruckt, (S. 66.) den Rath und mehrere
Gedichte; leſen Sie mehrere, fruͤhere und
ſpaͤtere Oden Klopſtocks, und laͤugnen
noch, daß auch auf Deutſchen Hoͤhen oder
in ihren Thaͤlern ein prophetiſcher Geiſt der
Zeiten wehe. Schade nur, daß er nicht
vernommen wird: denn um aller Deutſchen
Redlichkeit willen, welcher Mann von Ge-
ſchaͤften laͤſe ein Gedicht, um in ihm die
Stimme der Zeit zu hoͤren! —
Wir, meine Freunde, wollen den Gar-
ten der Grazien und Muſen in der Stille
bauen. Verſtaͤndiger Homer, edler Pin-
dar, und ihr ſanften Weiſen, Pythago-
ras, Sokrates, Plato, Ariſtoteles,
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/178>, abgerufen am 16.02.2025.
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