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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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verarbeitet Feuer, wie er das Licht einsaugt und die Luft ver-
pestet: wachend und schlafend in Ruhe und in Bewegung
trägt er zur Veränderung des Universum bei und sollte er
von demselben nicht verändert werden? Es ist viel zu wenig,
wenn man ihn dem saugenden Schwamm, dem glimmenden
Zunder vergleicht; eine zahllose Harmonie, ein lebendiges
Selbst ist er, auf welches die Harmonie aller ihn umgeben-
den Kräfte wirket.

Der ganze Lebenslauf eines Menschen ist Verwand-
lung; alle seine Lebensalter sind Fabeln derselben und so ist
das ganze Geschlecht in einer fortgehenden Metamorphose.
Blüthen fallen ab und welken; andre sprießen hervor und
knospen: der ungeheure Baum trägt auf einmal alle Jahrs-
zeiten auf seinem Haupte. Hat sich nun, nach dem Calcul
der Ausdünstung allein, ein achzigjähriger Mann wenigstens
vier und zwanzigmal am ganzen Körper erneueta); wer
mag den Wechsel der Materie und ihrer Formen durch das
ganze Menschenreich auf der Erde in allen Ursachen der Ver-
änderung verfolgen? da kein Punkt auf unsrer vielartigen
Kugel, da keine Welle im Strom der Zeit einer andern gleich

ist.
a) Nach Bernoulli s. Haller. Physiol. T. VIII. L. 30. wo man
einen Wald von Bemerkungen über die Veränderungen des
menschlichen Lebens findet.
K 2

verarbeitet Feuer, wie er das Licht einſaugt und die Luft ver-
peſtet: wachend und ſchlafend in Ruhe und in Bewegung
traͤgt er zur Veraͤnderung des Univerſum bei und ſollte er
von demſelben nicht veraͤndert werden? Es iſt viel zu wenig,
wenn man ihn dem ſaugenden Schwamm, dem glimmenden
Zunder vergleicht; eine zahlloſe Harmonie, ein lebendiges
Selbſt iſt er, auf welches die Harmonie aller ihn umgeben-
den Kraͤfte wirket.

Der ganze Lebenslauf eines Menſchen iſt Verwand-
lung; alle ſeine Lebensalter ſind Fabeln derſelben und ſo iſt
das ganze Geſchlecht in einer fortgehenden Metamorphoſe.
Bluͤthen fallen ab und welken; andre ſprießen hervor und
knoſpen: der ungeheure Baum traͤgt auf einmal alle Jahrs-
zeiten auf ſeinem Haupte. Hat ſich nun, nach dem Calcul
der Ausduͤnſtung allein, ein achzigjaͤhriger Mann wenigſtens
vier und zwanzigmal am ganzen Koͤrper erneueta); wer
mag den Wechſel der Materie und ihrer Formen durch das
ganze Menſchenreich auf der Erde in allen Urſachen der Ver-
aͤnderung verfolgen? da kein Punkt auf unſrer vielartigen
Kugel, da keine Welle im Strom der Zeit einer andern gleich

iſt.
a) Nach Bernoulli ſ. Haller. Phyſiol. T. VIII. L. 30. wo man
einen Wald von Bemerkungen uͤber die Veraͤnderungen des
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K 2
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[75/0087] verarbeitet Feuer, wie er das Licht einſaugt und die Luft ver- peſtet: wachend und ſchlafend in Ruhe und in Bewegung traͤgt er zur Veraͤnderung des Univerſum bei und ſollte er von demſelben nicht veraͤndert werden? Es iſt viel zu wenig, wenn man ihn dem ſaugenden Schwamm, dem glimmenden Zunder vergleicht; eine zahlloſe Harmonie, ein lebendiges Selbſt iſt er, auf welches die Harmonie aller ihn umgeben- den Kraͤfte wirket. Der ganze Lebenslauf eines Menſchen iſt Verwand- lung; alle ſeine Lebensalter ſind Fabeln derſelben und ſo iſt das ganze Geſchlecht in einer fortgehenden Metamorphoſe. Bluͤthen fallen ab und welken; andre ſprießen hervor und knoſpen: der ungeheure Baum traͤgt auf einmal alle Jahrs- zeiten auf ſeinem Haupte. Hat ſich nun, nach dem Calcul der Ausduͤnſtung allein, ein achzigjaͤhriger Mann wenigſtens vier und zwanzigmal am ganzen Koͤrper erneuet a); wer mag den Wechſel der Materie und ihrer Formen durch das ganze Menſchenreich auf der Erde in allen Urſachen der Ver- aͤnderung verfolgen? da kein Punkt auf unſrer vielartigen Kugel, da keine Welle im Strom der Zeit einer andern gleich iſt. a) Nach Bernoulli ſ. Haller. Phyſiol. T. VIII. L. 30. wo man einen Wald von Bemerkungen uͤber die Veraͤnderungen des menſchlichen Lebens findet. K 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/87>, abgerufen am 29.11.2024.