Amts würdig erkannte: denn das Amt des Fürsten ist kein ge- ringeres, als Gott zu seyn unter den Menschen, ein höherer Genius in einer sterblichen Bildung. Wie Sterne glänzen die wenigen, die diesen auszeichnenden Ruf verstanden, in der unendlich-dunkeln Wolkennacht gewöhnlicher Regenten und erquicken den verlohrnen Wandrer auf seinem traurigen Gange in der politischen Menschengeschichte.
O daß ein andrer Montesquien uns den Geist der Ge- setze und Regierungen auf unsrer runden Erde nur durch die bekanntesten Jahrhunderte zu kosten gäbe! Nicht nach leeren Namen dreier oder vier Regierungsformen, die doch nirgend und niemals dieselben sind oder bleiben; auch nicht nach witzi- gen Principien des Staats: denn kein Staat ist auf Ein Wort- principium gebauet, geschweige daß er dasselbe in allen seinen Ständen und Zeiten unwandelbar erhielte; auch nicht durch zerschnittene Beispiele, aus allen Nationen, Zeiten und Welt- gegenden, aus denen in dieser Verwirrung, der Genius unsrer Erde selbst kein Ganzes bilden würde: sondern allein durch die philosophische, lebendige Darstellung der bürgerlichen Ge- schichte, in der, so einförmig sie scheinet keine Scene zweimal vorkommt und die das Gemählde der Laster und Tugenden un- sres Geschlechts und seiner Regenten, nach Ort und Zeiten immer verändert und immer dasselbe, fürchterlich-lehrreich vollendet.
V.
Amts wuͤrdig erkannte: denn das Amt des Fuͤrſten iſt kein ge- ringeres, als Gott zu ſeyn unter den Menſchen, ein hoͤherer Genius in einer ſterblichen Bildung. Wie Sterne glaͤnzen die wenigen, die dieſen auszeichnenden Ruf verſtanden, in der unendlich-dunkeln Wolkennacht gewoͤhnlicher Regenten und erquicken den verlohrnen Wandrer auf ſeinem traurigen Gange in der politiſchen Menſchengeſchichte.
O daß ein andrer Montesquien uns den Geiſt der Ge- ſetze und Regierungen auf unſrer runden Erde nur durch die bekannteſten Jahrhunderte zu koſten gaͤbe! Nicht nach leeren Namen dreier oder vier Regierungsformen, die doch nirgend und niemals dieſelben ſind oder bleiben; auch nicht nach witzi- gen Principien des Staats: denn kein Staat iſt auf Ein Wort- principium gebauet, geſchweige daß er daſſelbe in allen ſeinen Staͤnden und Zeiten unwandelbar erhielte; auch nicht durch zerſchnittene Beiſpiele, aus allen Nationen, Zeiten und Welt- gegenden, aus denen in dieſer Verwirrung, der Genius unſrer Erde ſelbſt kein Ganzes bilden wuͤrde: ſondern allein durch die philoſophiſche, lebendige Darſtellung der buͤrgerlichen Ge- ſchichte, in der, ſo einfoͤrmig ſie ſcheinet keine Scene zweimal vorkommt und die das Gemaͤhlde der Laſter und Tugenden un- ſres Geſchlechts und ſeiner Regenten, nach Ort und Zeiten immer veraͤndert und immer daſſelbe, fuͤrchterlich-lehrreich vollendet.
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Amts wuͤrdig erkannte: denn das Amt des Fuͤrſten iſt kein ge-
ringeres, als Gott zu ſeyn unter den Menſchen, ein hoͤherer
Genius in einer ſterblichen Bildung. Wie Sterne glaͤnzen
die wenigen, die dieſen auszeichnenden Ruf verſtanden, in der
unendlich-dunkeln Wolkennacht gewoͤhnlicher Regenten und
erquicken den verlohrnen Wandrer auf ſeinem traurigen Gange
in der politiſchen Menſchengeſchichte.
O daß ein andrer Montesquien uns den Geiſt der Ge-
ſetze und Regierungen auf unſrer runden Erde nur durch die
bekannteſten Jahrhunderte zu koſten gaͤbe! Nicht nach leeren
Namen dreier oder vier Regierungsformen, die doch nirgend
und niemals dieſelben ſind oder bleiben; auch nicht nach witzi-
gen Principien des Staats: denn kein Staat iſt auf Ein Wort-
principium gebauet, geſchweige daß er daſſelbe in allen ſeinen
Staͤnden und Zeiten unwandelbar erhielte; auch nicht durch
zerſchnittene Beiſpiele, aus allen Nationen, Zeiten und Welt-
gegenden, aus denen in dieſer Verwirrung, der Genius unſrer
Erde ſelbſt kein Ganzes bilden wuͤrde: ſondern allein durch
die philoſophiſche, lebendige Darſtellung der buͤrgerlichen Ge-
ſchichte, in der, ſo einfoͤrmig ſie ſcheinet keine Scene zweimal
vorkommt und die das Gemaͤhlde der Laſter und Tugenden un-
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veraͤndert und immer daſſelbe, fuͤrchterlich-lehrreich vollendet.
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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