Maschine, die man Staats-Maschine nennet, ohne inneres Leben und Sympathie der Theile gegen einander. Reiche die- ser Art, die dem besten Monarchen den Namen Vater des Va- terlandes so schwer machen, erscheinen in der Geschichte, wie jene Symbole der Monarchieen im Traumbilde des Prophe- ten, wo sich das Löwenhaupt mit dem Drachenschweif und der Adlersflügel mit dem Bärenfuß zu Einem unpatriotischen Staatsgebilde vereinigt. Wie Trojanische Roße rücken solche Maschinen zusammen, sich einander die Unsterblichkeit verbür- gend, da doch ohne National-Charakter kein Leben in ihnen ist und für die Zusammengezwungenen nur der Fluch des Schick- sals sie zur Unsterblichkeit verdammen könnte: denn eben die Staatskunst, die sie hervorbrachte, ist auch die, die mit Völ- kern und Menschen als mit leblosen Körpern spielet. Aber die Geschichte zeigt gnugsam, daß diese Werkzeuge des mensch- lichen Stolzes von Thon sind und wie aller Thon auf der Erde zerbrechen oder zerfließen.
3. Wie bei allen Verbindungen der Menschen gemein- schaftliche Hülfe und Sicherheit der Hauptzweck ihres Bun- des ist: so ist auch dem Staat keine andre als die Naturord- nung die beste; daß nämlich auch in ihm jeder das sei, wozu ihn die Natur bestellte. Sobald der Regent in die Stelle des Schöpfers treten nud durch Willkühr oder Leidenschaft von
Sei-
Maſchine, die man Staats-Maſchine nennet, ohne inneres Leben und Sympathie der Theile gegen einander. Reiche die- ſer Art, die dem beſten Monarchen den Namen Vater des Va- terlandes ſo ſchwer machen, erſcheinen in der Geſchichte, wie jene Symbole der Monarchieen im Traumbilde des Prophe- ten, wo ſich das Loͤwenhaupt mit dem Drachenſchweif und der Adlersfluͤgel mit dem Baͤrenfuß zu Einem unpatriotiſchen Staatsgebilde vereinigt. Wie Trojaniſche Roße ruͤcken ſolche Maſchinen zuſammen, ſich einander die Unſterblichkeit verbuͤr- gend, da doch ohne National-Charakter kein Leben in ihnen iſt und fuͤr die Zuſammengezwungenen nur der Fluch des Schick- ſals ſie zur Unſterblichkeit verdammen koͤnnte: denn eben die Staatskunſt, die ſie hervorbrachte, iſt auch die, die mit Voͤl- kern und Menſchen als mit lebloſen Koͤrpern ſpielet. Aber die Geſchichte zeigt gnugſam, daß dieſe Werkzeuge des menſch- lichen Stolzes von Thon ſind und wie aller Thon auf der Erde zerbrechen oder zerfließen.
3. Wie bei allen Verbindungen der Menſchen gemein- ſchaftliche Huͤlfe und Sicherheit der Hauptzweck ihres Bun- des iſt: ſo iſt auch dem Staat keine andre als die Naturord- nung die beſte; daß naͤmlich auch in ihm jeder das ſei, wozu ihn die Natur beſtellte. Sobald der Regent in die Stelle des Schoͤpfers treten nud durch Willkuͤhr oder Leidenſchaft von
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Maſchine, die man Staats-Maſchine nennet, ohne inneres
Leben und Sympathie der Theile gegen einander. Reiche die-
ſer Art, die dem beſten Monarchen den Namen Vater des Va-
terlandes ſo ſchwer machen, erſcheinen in der Geſchichte, wie
jene Symbole der Monarchieen im Traumbilde des Prophe-
ten, wo ſich das Loͤwenhaupt mit dem Drachenſchweif und der
Adlersfluͤgel mit dem Baͤrenfuß zu Einem unpatriotiſchen
Staatsgebilde vereinigt. Wie Trojaniſche Roße ruͤcken ſolche
Maſchinen zuſammen, ſich einander die Unſterblichkeit verbuͤr-
gend, da doch ohne National-Charakter kein Leben in ihnen iſt
und fuͤr die Zuſammengezwungenen nur der Fluch des Schick-
ſals ſie zur Unſterblichkeit verdammen koͤnnte: denn eben die
Staatskunſt, die ſie hervorbrachte, iſt auch die, die mit Voͤl-
kern und Menſchen als mit lebloſen Koͤrpern ſpielet. Aber
die Geſchichte zeigt gnugſam, daß dieſe Werkzeuge des menſch-
lichen Stolzes von Thon ſind und wie aller Thon auf der Erde
zerbrechen oder zerfließen.
3. Wie bei allen Verbindungen der Menſchen gemein-
ſchaftliche Huͤlfe und Sicherheit der Hauptzweck ihres Bun-
des iſt: ſo iſt auch dem Staat keine andre als die Naturord-
nung die beſte; daß naͤmlich auch in ihm jeder das ſei, wozu
ihn die Natur beſtellte. Sobald der Regent in die Stelle des
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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