unter den wildesten Völkern unterscheidet sich das Weib vom Mann durch eine zärtere Gefälligkeit, durch Liebe zum Schmuck und zur Schönheit; auch da noch sind diese Eigenschaften kennbar, wo die Nation mit dem Klima und dem schnödesten Mangel kämpfet. Ueberall schmückt sich das Weib, wie we- nigen Putz es auch hie und da sich zu schmücken habe: so bringet im ersten Frühling die Lebenreiche Erde wenigstens einige Geruchlose Blümchen hervor, Vorboten, was sie in an- dern Jahrszeiten zu thun vermöchte. -- -- Reinlichkeit ist eine andre Weibertugend, dazu sie ihre Natur zwingt und der Trieb zu gefallen reizet. Die Anstalten, ja die oft übertrieb- nen Gesetze und Gebräuche, wodurch alle gesunde Nationen die Krankheiten der Weiber absonderten und unschädlich mach- ten, beschämen manche cultivirte Völker. Sie wußten und wissen also auch nichts von einem großen Theil der Schwach- heiten, die bei uns sowohl eine Folge als eine neue Ursache jener tiefer Versunkenheit sind, die eine üppige, kranke Weib- lichkeit auf eine elende Nachkommenschaft fortbreitet. -- Noch eines größern Ruhmes ist die sanfte Duldung, die unver- drossene Geschäftigkeit werth, in der sich ohne den Mißbrauch der Cultur, das zarte Geschlecht überall auf der Erde auszeich- net. Mit Gelaßenheit trägt es das Joch, das ihm die rohe Uebermacht der Männer, ihre Liebe zum Müßiggange und zur Trägheit, endlich auch die Ausschweifungen seiner Vorfahren
selbst
unter den wildeſten Voͤlkern unterſcheidet ſich das Weib vom Mann durch eine zaͤrtere Gefaͤlligkeit, durch Liebe zum Schmuck und zur Schoͤnheit; auch da noch ſind dieſe Eigenſchaften kennbar, wo die Nation mit dem Klima und dem ſchnoͤdeſten Mangel kaͤmpfet. Ueberall ſchmuͤckt ſich das Weib, wie we- nigen Putz es auch hie und da ſich zu ſchmuͤcken habe: ſo bringet im erſten Fruͤhling die Lebenreiche Erde wenigſtens einige Geruchloſe Bluͤmchen hervor, Vorboten, was ſie in an- dern Jahrszeiten zu thun vermoͤchte. — — Reinlichkeit iſt eine andre Weibertugend, dazu ſie ihre Natur zwingt und der Trieb zu gefallen reizet. Die Anſtalten, ja die oft uͤbertrieb- nen Geſetze und Gebraͤuche, wodurch alle geſunde Nationen die Krankheiten der Weiber abſonderten und unſchaͤdlich mach- ten, beſchaͤmen manche cultivirte Voͤlker. Sie wußten und wiſſen alſo auch nichts von einem großen Theil der Schwach- heiten, die bei uns ſowohl eine Folge als eine neue Urſache jener tiefer Verſunkenheit ſind, die eine uͤppige, kranke Weib- lichkeit auf eine elende Nachkommenſchaft fortbreitet. — Noch eines groͤßern Ruhmes iſt die ſanfte Duldung, die unver- droſſene Geſchaͤftigkeit werth, in der ſich ohne den Mißbrauch der Cultur, das zarte Geſchlecht uͤberall auf der Erde auszeich- net. Mit Gelaßenheit traͤgt es das Joch, das ihm die rohe Uebermacht der Maͤnner, ihre Liebe zum Muͤßiggange und zur Traͤgheit, endlich auch die Ausſchweifungen ſeiner Vorfahren
ſelbſt
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unter den wildeſten Voͤlkern unterſcheidet ſich das Weib vom
Mann durch eine zaͤrtere Gefaͤlligkeit, durch Liebe zum Schmuck
und zur Schoͤnheit; auch da noch ſind dieſe Eigenſchaften
kennbar, wo die Nation mit dem Klima und dem ſchnoͤdeſten
Mangel kaͤmpfet. Ueberall ſchmuͤckt ſich das Weib, wie we-
nigen Putz es auch hie und da ſich zu ſchmuͤcken habe: ſo
bringet im erſten Fruͤhling die Lebenreiche Erde wenigſtens
einige Geruchloſe Bluͤmchen hervor, Vorboten, was ſie in an-
dern Jahrszeiten zu thun vermoͤchte. — — Reinlichkeit iſt
eine andre Weibertugend, dazu ſie ihre Natur zwingt und der
Trieb zu gefallen reizet. Die Anſtalten, ja die oft uͤbertrieb-
nen Geſetze und Gebraͤuche, wodurch alle geſunde Nationen
die Krankheiten der Weiber abſonderten und unſchaͤdlich mach-
ten, beſchaͤmen manche cultivirte Voͤlker. Sie wußten und
wiſſen alſo auch nichts von einem großen Theil der Schwach-
heiten, die bei uns ſowohl eine Folge als eine neue Urſache
jener tiefer Verſunkenheit ſind, die eine uͤppige, kranke Weib-
lichkeit auf eine elende Nachkommenſchaft fortbreitet. — Noch
eines groͤßern Ruhmes iſt die ſanfte Duldung, die unver-
droſſene Geſchaͤftigkeit werth, in der ſich ohne den Mißbrauch
der Cultur, das zarte Geſchlecht uͤberall auf der Erde auszeich-
net. Mit Gelaßenheit traͤgt es das Joch, das ihm die rohe
Uebermacht der Maͤnner, ihre Liebe zum Muͤßiggange und zur
Traͤgheit, endlich auch die Ausſchweifungen ſeiner Vorfahren
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/196>, abgerufen am 21.11.2024.
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