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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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mate zu erklären. Freilich lag im Grunde Alles wieder an
den Männern, deren stumpfe Brutalität das Uebel gewiß nicht
ausrottete, das sie so ungelenk einschränkte, wie es nicht nur
die Geschichte der Cultur, die das Weib durch vernünftige
Bildung dem Mann gleichgesetzt hat: sondern auch das Bei-
spiel einiger vernünftigen Völker ohne feinere Cultur zeiget.
Der alte Deutsche, auch in seinen rauhen Wäldern, erkannte
das Edle im Weibe und genoß an ihm die schönsten Eigen-
schaften seines Geschlechts, Klugheit, Treue, Muth und Keusch-
heit; allerdings aber kam ihm auch sein Klima, sein geneti-
scher Charakter, seine ganze Lebensweise hierinn zu Hülfe.
Er und sein Weib wuchsen wie die Eichen, langsam, unver-
wüstlich und kräftig; die Reize der Verführung fehlten sei-
nem Lande; Triebe zu Tugenden dagegen gab beiden Geschlech-
tern sowohl die gewohnte Verfassung, als die Noth. Tochter
Germaniens, fühle den Ruhm deiner Urmütter und eifre ihm
nach: unter wenigen Völkern rühmt die Geschichte, was sie
von ihnen rühmet; unter wenigen Völkern hat auch der Mann
die Tugend des Weibes wie im ältesten Germanien geehret.
Sklavinnen sind die Weiber der meisten Nationen, die in sol-
cher Verfaßung leben; Rathgebende Freundinnen waren deine
Mütter und jede Edle unter ihnen ists noch.

Laßet uns also auf die Tugenden des Weibes kommen,
wie sie sich in der Geschichte der Menschheit offenbahren. Auch

unter

mate zu erklaͤren. Freilich lag im Grunde Alles wieder an
den Maͤnnern, deren ſtumpfe Brutalitaͤt das Uebel gewiß nicht
ausrottete, das ſie ſo ungelenk einſchraͤnkte, wie es nicht nur
die Geſchichte der Cultur, die das Weib durch vernuͤnftige
Bildung dem Mann gleichgeſetzt hat: ſondern auch das Bei-
ſpiel einiger vernuͤnftigen Voͤlker ohne feinere Cultur zeiget.
Der alte Deutſche, auch in ſeinen rauhen Waͤldern, erkannte
das Edle im Weibe und genoß an ihm die ſchoͤnſten Eigen-
ſchaften ſeines Geſchlechts, Klugheit, Treue, Muth und Keuſch-
heit; allerdings aber kam ihm auch ſein Klima, ſein geneti-
ſcher Charakter, ſeine ganze Lebensweiſe hierinn zu Huͤlfe.
Er und ſein Weib wuchſen wie die Eichen, langſam, unver-
wuͤſtlich und kraͤftig; die Reize der Verfuͤhrung fehlten ſei-
nem Lande; Triebe zu Tugenden dagegen gab beiden Geſchlech-
tern ſowohl die gewohnte Verfaſſung, als die Noth. Tochter
Germaniens, fuͤhle den Ruhm deiner Urmuͤtter und eifre ihm
nach: unter wenigen Voͤlkern ruͤhmt die Geſchichte, was ſie
von ihnen ruͤhmet; unter wenigen Voͤlkern hat auch der Mann
die Tugend des Weibes wie im aͤlteſten Germanien geehret.
Sklavinnen ſind die Weiber der meiſten Nationen, die in ſol-
cher Verfaßung leben; Rathgebende Freundinnen waren deine
Muͤtter und jede Edle unter ihnen iſts noch.

Laßet uns alſo auf die Tugenden des Weibes kommen,
wie ſie ſich in der Geſchichte der Menſchheit offenbahren. Auch

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[183/0195] mate zu erklaͤren. Freilich lag im Grunde Alles wieder an den Maͤnnern, deren ſtumpfe Brutalitaͤt das Uebel gewiß nicht ausrottete, das ſie ſo ungelenk einſchraͤnkte, wie es nicht nur die Geſchichte der Cultur, die das Weib durch vernuͤnftige Bildung dem Mann gleichgeſetzt hat: ſondern auch das Bei- ſpiel einiger vernuͤnftigen Voͤlker ohne feinere Cultur zeiget. Der alte Deutſche, auch in ſeinen rauhen Waͤldern, erkannte das Edle im Weibe und genoß an ihm die ſchoͤnſten Eigen- ſchaften ſeines Geſchlechts, Klugheit, Treue, Muth und Keuſch- heit; allerdings aber kam ihm auch ſein Klima, ſein geneti- ſcher Charakter, ſeine ganze Lebensweiſe hierinn zu Huͤlfe. Er und ſein Weib wuchſen wie die Eichen, langſam, unver- wuͤſtlich und kraͤftig; die Reize der Verfuͤhrung fehlten ſei- nem Lande; Triebe zu Tugenden dagegen gab beiden Geſchlech- tern ſowohl die gewohnte Verfaſſung, als die Noth. Tochter Germaniens, fuͤhle den Ruhm deiner Urmuͤtter und eifre ihm nach: unter wenigen Voͤlkern ruͤhmt die Geſchichte, was ſie von ihnen ruͤhmet; unter wenigen Voͤlkern hat auch der Mann die Tugend des Weibes wie im aͤlteſten Germanien geehret. Sklavinnen ſind die Weiber der meiſten Nationen, die in ſol- cher Verfaßung leben; Rathgebende Freundinnen waren deine Muͤtter und jede Edle unter ihnen iſts noch. Laßet uns alſo auf die Tugenden des Weibes kommen, wie ſie ſich in der Geſchichte der Menſchheit offenbahren. Auch unter

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/195>, abgerufen am 24.11.2024.