Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


Kräfte, der innere Genius meines Daseyns. Aus keiner an-
dern Ursache ist der Mensch das vollkommenste Wesen der Er-
deschöpfung, als weil die feinsten organischen Kräfte, die wir
kennen, bei ihm in den feinsten Werkzeugen der Organisation
einwohnend wirken. Er ist die vollkommenste animalische
Pflanze, ein eingebohrner Genius in einer menschlichen
Bildung.



Sind unsre Grundsätze bisher richtig gewesen, wie sie
sich denn auf unstreitige Erfahrungen gründen: so kann auch
keine Verartung unsres Geschlechts vorgehen, ohne eigentlich
durch diese organischen Kräfte. Wie auch das Klima wirke;
jeder Mensch, jedes Thier, jede Pflanze hat ihr eignes Klima:
denn alle äußern Einwirkungen nimmt jedes nach seiner Weise
auf und verarbeitet sie organisch. Auch in der kleinsten Fiber
leidet der Mensch nicht wie ein Stein, nicht wie eine Wasser-
blase. Lasset uns einige Stuffen oder Schattierungen dieser
Verartung bemerken.

Die erste Stuffe der Verartung des menschlichen Ge-
schlechts zeiget sich in den äußern Theilen; nicht als ob diese
für sich litten oder wirkten: sondern weil die uns einwohnende
Kraft von innen heraus wirket. Durch den wunderbarsten

Mecha-
O 3


Kraͤfte, der innere Genius meines Daſeyns. Aus keiner an-
dern Urſache iſt der Menſch das vollkommenſte Weſen der Er-
deſchoͤpfung, als weil die feinſten organiſchen Kraͤfte, die wir
kennen, bei ihm in den feinſten Werkzeugen der Organiſation
einwohnend wirken. Er iſt die vollkommenſte animaliſche
Pflanze, ein eingebohrner Genius in einer menſchlichen
Bildung.



Sind unſre Grundſaͤtze bisher richtig geweſen, wie ſie
ſich denn auf unſtreitige Erfahrungen gruͤnden: ſo kann auch
keine Verartung unſres Geſchlechts vorgehen, ohne eigentlich
durch dieſe organiſchen Kraͤfte. Wie auch das Klima wirke;
jeder Menſch, jedes Thier, jede Pflanze hat ihr eignes Klima:
denn alle aͤußern Einwirkungen nimmt jedes nach ſeiner Weiſe
auf und verarbeitet ſie organiſch. Auch in der kleinſten Fiber
leidet der Menſch nicht wie ein Stein, nicht wie eine Waſſer-
blaſe. Laſſet uns einige Stuffen oder Schattierungen dieſer
Verartung bemerken.

Die erſte Stuffe der Verartung des menſchlichen Ge-
ſchlechts zeiget ſich in den aͤußern Theilen; nicht als ob dieſe
fuͤr ſich litten oder wirkten: ſondern weil die uns einwohnende
Kraft von innen heraus wirket. Durch den wunderbarſten

Mecha-
O 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="109"/><lb/>
Kra&#x0364;fte, der innere Genius meines Da&#x017F;eyns. Aus keiner an-<lb/>
dern Ur&#x017F;ache i&#x017F;t der Men&#x017F;ch das vollkommen&#x017F;te We&#x017F;en der Er-<lb/>
de&#x017F;cho&#x0364;pfung, als weil die fein&#x017F;ten organi&#x017F;chen Kra&#x0364;fte, die wir<lb/>
kennen, bei ihm in den fein&#x017F;ten Werkzeugen der Organi&#x017F;ation<lb/>
einwohnend wirken. Er i&#x017F;t die vollkommen&#x017F;te animali&#x017F;che<lb/>
Pflanze, ein eingebohrner Genius in einer men&#x017F;chlichen<lb/>
Bildung.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Sind un&#x017F;re Grund&#x017F;a&#x0364;tze bisher richtig gewe&#x017F;en, wie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich denn auf un&#x017F;treitige Erfahrungen gru&#x0364;nden: &#x017F;o kann auch<lb/>
keine Verartung un&#x017F;res Ge&#x017F;chlechts vorgehen, ohne eigentlich<lb/>
durch die&#x017F;e organi&#x017F;chen Kra&#x0364;fte. Wie auch das Klima wirke;<lb/>
jeder Men&#x017F;ch, jedes Thier, jede Pflanze hat ihr eignes Klima:<lb/>
denn alle a&#x0364;ußern Einwirkungen nimmt jedes nach &#x017F;einer Wei&#x017F;e<lb/>
auf und verarbeitet &#x017F;ie organi&#x017F;ch. Auch in der klein&#x017F;ten Fiber<lb/>
leidet der Men&#x017F;ch nicht wie ein Stein, nicht wie eine Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
bla&#x017F;e. La&#x017F;&#x017F;et uns einige Stuffen oder Schattierungen die&#x017F;er<lb/>
Verartung bemerken.</p><lb/>
          <p>Die er&#x017F;te Stuffe der Verartung des men&#x017F;chlichen Ge-<lb/>
&#x017F;chlechts zeiget &#x017F;ich in den a&#x0364;ußern Theilen; nicht als ob die&#x017F;e<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich litten oder wirkten: &#x017F;ondern weil die uns einwohnende<lb/>
Kraft von innen heraus wirket. Durch den wunderbar&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Mecha-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0121] Kraͤfte, der innere Genius meines Daſeyns. Aus keiner an- dern Urſache iſt der Menſch das vollkommenſte Weſen der Er- deſchoͤpfung, als weil die feinſten organiſchen Kraͤfte, die wir kennen, bei ihm in den feinſten Werkzeugen der Organiſation einwohnend wirken. Er iſt die vollkommenſte animaliſche Pflanze, ein eingebohrner Genius in einer menſchlichen Bildung. Sind unſre Grundſaͤtze bisher richtig geweſen, wie ſie ſich denn auf unſtreitige Erfahrungen gruͤnden: ſo kann auch keine Verartung unſres Geſchlechts vorgehen, ohne eigentlich durch dieſe organiſchen Kraͤfte. Wie auch das Klima wirke; jeder Menſch, jedes Thier, jede Pflanze hat ihr eignes Klima: denn alle aͤußern Einwirkungen nimmt jedes nach ſeiner Weiſe auf und verarbeitet ſie organiſch. Auch in der kleinſten Fiber leidet der Menſch nicht wie ein Stein, nicht wie eine Waſſer- blaſe. Laſſet uns einige Stuffen oder Schattierungen dieſer Verartung bemerken. Die erſte Stuffe der Verartung des menſchlichen Ge- ſchlechts zeiget ſich in den aͤußern Theilen; nicht als ob dieſe fuͤr ſich litten oder wirkten: ſondern weil die uns einwohnende Kraft von innen heraus wirket. Durch den wunderbarſten Mecha- O 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/121
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/121>, abgerufen am 24.11.2024.