Theile, sondert die Fremden ab, stößt die feindlichen weg, sie ermattet endlich im Alter und lebt in einigen Theilen noch nach dem Tode. Das Vernunftvermögen unsrer Seele ist sie nicht: denn dieses hat sich den Körper, den es nicht kennet, und ihn nur als ein unvollkommenes, fremdes Werkzeug seiner Gedanken braucht, gewiß nicht selbst gebildet. Verbunden ist es indeß mit jener Lebenskraft, wie alle Kräfte der Natur in Verbindung stehen: denn auch das geistige Denken hangt von der Organisation und Gesundheit des Körpers ab und alle Begier- den und Triebe unsres Herzens sind von der animalischen Wärme untrennbar. -- -- Alle dies sind facta der Natur, die keine Hypothese umstoßen, kein scholastisches Wort vernichten kann: ihre Anerkennung ist die älteste Philosophie der Erde, wie sie auch wahrscheinlich die letzte seyn wirda). So gewiß ichs weiß, daß ich denke und kenne doch meine denkende Kraft nicht: so gewiß empfinde und sehe ichs, daß ich lebe, wenn ich gleich auch nie weiß, was Lebenskraft sei. Angebohren, organisch, genetisch ist dies Vermögen: es ist der Grund meiner Natur-
Kräfte,
a)Hippokrates, Aristoteles, Galen, Harvei, Boile, Stahl, Glißon, Gaubius, Albin und so viel andre der größten Beob- achter oder Weltweisen des menschlichen Geschlechts haben, ge- zwungen von Erfahrungen, dies thätige Lebensprincipium ange- nommen und nur mit mancherlei Namen benannt oder einige der- selben es von angrenzenden Kräften nicht gnug gesondert.
Theile, ſondert die Fremden ab, ſtoͤßt die feindlichen weg, ſie ermattet endlich im Alter und lebt in einigen Theilen noch nach dem Tode. Das Vernunftvermoͤgen unſrer Seele iſt ſie nicht: denn dieſes hat ſich den Koͤrper, den es nicht kennet, und ihn nur als ein unvollkommenes, fremdes Werkzeug ſeiner Gedanken braucht, gewiß nicht ſelbſt gebildet. Verbunden iſt es indeß mit jener Lebenskraft, wie alle Kraͤfte der Natur in Verbindung ſtehen: denn auch das geiſtige Denken hangt von der Organiſation und Geſundheit des Koͤrpers ab und alle Begier- den und Triebe unſres Herzens ſind von der animaliſchen Waͤrme untrennbar. — — Alle dies ſind facta der Natur, die keine Hypotheſe umſtoßen, kein ſcholaſtiſches Wort vernichten kann: ihre Anerkennung iſt die aͤlteſte Philoſophie der Erde, wie ſie auch wahrſcheinlich die letzte ſeyn wirda). So gewiß ichs weiß, daß ich denke und kenne doch meine denkende Kraft nicht: ſo gewiß empfinde und ſehe ichs, daß ich lebe, wenn ich gleich auch nie weiß, was Lebenskraft ſei. Angebohren, organiſch, genetiſch iſt dies Vermoͤgen: es iſt der Grund meiner Natur-
Kraͤfte,
a)Hippokrates, Ariſtoteles, Galen, Harvei, Boile, Stahl, Glißon, Gaubius, Albin und ſo viel andre der groͤßten Beob- achter oder Weltweiſen des menſchlichen Geſchlechts haben, ge- zwungen von Erfahrungen, dies thaͤtige Lebensprincipium ange- nommen und nur mit mancherlei Namen benannt oder einige der- ſelben es von angrenzenden Kraͤften nicht gnug geſondert.
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Theile, ſondert die Fremden ab, ſtoͤßt die feindlichen weg, ſie
ermattet endlich im Alter und lebt in einigen Theilen noch
nach dem Tode. Das Vernunftvermoͤgen unſrer Seele iſt ſie
nicht: denn dieſes hat ſich den Koͤrper, den es nicht kennet, und
ihn nur als ein unvollkommenes, fremdes Werkzeug ſeiner
Gedanken braucht, gewiß nicht ſelbſt gebildet. Verbunden
iſt es indeß mit jener Lebenskraft, wie alle Kraͤfte der Natur
in Verbindung ſtehen: denn auch das geiſtige Denken hangt von
der Organiſation und Geſundheit des Koͤrpers ab und alle Begier-
den und Triebe unſres Herzens ſind von der animaliſchen Waͤrme
untrennbar. — — Alle dies ſind facta der Natur, die keine
Hypotheſe umſtoßen, kein ſcholaſtiſches Wort vernichten kann:
ihre Anerkennung iſt die aͤlteſte Philoſophie der Erde, wie ſie
auch wahrſcheinlich die letzte ſeyn wird a). So gewiß ichs
weiß, daß ich denke und kenne doch meine denkende Kraft nicht:
ſo gewiß empfinde und ſehe ichs, daß ich lebe, wenn ich gleich
auch nie weiß, was Lebenskraft ſei. Angebohren, organiſch,
genetiſch iſt dies Vermoͤgen: es iſt der Grund meiner Natur-
Kraͤfte,
a) Hippokrates, Ariſtoteles, Galen, Harvei, Boile, Stahl,
Glißon, Gaubius, Albin und ſo viel andre der groͤßten Beob-
achter oder Weltweiſen des menſchlichen Geſchlechts haben, ge-
zwungen von Erfahrungen, dies thaͤtige Lebensprincipium ange-
nommen und nur mit mancherlei Namen benannt oder einige der-
ſelben es von angrenzenden Kraͤften nicht gnug geſondert.
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/120>, abgerufen am 23.07.2024.
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