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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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scharfsinnigen Versuche sein Kranz und die Nachwelt wird
unsrer Zeit edle Kränze zu reichen habena).



Endlich die Höhe oder Tiefe eines Erdstrichs, die Be-
schaffenheit desselben und seiner Produkte, die Speisen und
Getränke, die der Mensch genießt, die Lebensweise, der er
folgt, die Arbeit, die er verrichtet, Kleidung, gewohnte Stel-
lungen sogar, Vergnügen und Künste, nebst einem Heer and-
rer Umstände, die in ihrer lebendigen Verbindung viel wir-
ken; alle sie gehören zum Gemählde des vielverändernden
Klima. Welche Menschenhand vermag nun dieses Chaos
von Ursachen und Folgen zu einer Welt zu ordnen, in der je-
dem einzelnen Dinge jeder einzelnen Gegend sein Recht gesche-
he und keins zu viel oder zu wenig erhalte? Das Einzige und
Beste ist, daß man nach Hippokrates Weiseb) mit seiner
scharfsehenden Einfalt einzelne Gegenden klimatisch bemerke
und sodann langsam, langsam allgemeine Schlüsse folgere.

Natur-
a) S. Gmelin über die neuern Entdeckungen in der Lehre von der
Luft, Berl. 1784.
b) S. Hippocrat. de aere, locis et aquis, vorzüglich den zweyten
Theil der Abhandlung. Für mich der Hauptschriftsteller über
das Klima.

ſcharfſinnigen Verſuche ſein Kranz und die Nachwelt wird
unſrer Zeit edle Kraͤnze zu reichen habena).



Endlich die Hoͤhe oder Tiefe eines Erdſtrichs, die Be-
ſchaffenheit deſſelben und ſeiner Produkte, die Speiſen und
Getraͤnke, die der Menſch genießt, die Lebensweiſe, der er
folgt, die Arbeit, die er verrichtet, Kleidung, gewohnte Stel-
lungen ſogar, Vergnuͤgen und Kuͤnſte, nebſt einem Heer and-
rer Umſtaͤnde, die in ihrer lebendigen Verbindung viel wir-
ken; alle ſie gehoͤren zum Gemaͤhlde des vielveraͤndernden
Klima. Welche Menſchenhand vermag nun dieſes Chaos
von Urſachen und Folgen zu einer Welt zu ordnen, in der je-
dem einzelnen Dinge jeder einzelnen Gegend ſein Recht geſche-
he und keins zu viel oder zu wenig erhalte? Das Einzige und
Beſte iſt, daß man nach Hippokrates Weiſeb) mit ſeiner
ſcharfſehenden Einfalt einzelne Gegenden klimatiſch bemerke
und ſodann langſam, langſam allgemeine Schluͤſſe folgere.

Natur-
a) S. Gmelin uͤber die neuern Entdeckungen in der Lehre von der
Luft, Berl. 1784.
b) S. Hippocrat. de aëre, locis et aquis, vorzuͤglich den zweyten
Theil der Abhandlung. Fuͤr mich der Hauptſchriftſteller uͤber
das Klima.
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[98/0110] ſcharfſinnigen Verſuche ſein Kranz und die Nachwelt wird unſrer Zeit edle Kraͤnze zu reichen haben a). Endlich die Hoͤhe oder Tiefe eines Erdſtrichs, die Be- ſchaffenheit deſſelben und ſeiner Produkte, die Speiſen und Getraͤnke, die der Menſch genießt, die Lebensweiſe, der er folgt, die Arbeit, die er verrichtet, Kleidung, gewohnte Stel- lungen ſogar, Vergnuͤgen und Kuͤnſte, nebſt einem Heer and- rer Umſtaͤnde, die in ihrer lebendigen Verbindung viel wir- ken; alle ſie gehoͤren zum Gemaͤhlde des vielveraͤndernden Klima. Welche Menſchenhand vermag nun dieſes Chaos von Urſachen und Folgen zu einer Welt zu ordnen, in der je- dem einzelnen Dinge jeder einzelnen Gegend ſein Recht geſche- he und keins zu viel oder zu wenig erhalte? Das Einzige und Beſte iſt, daß man nach Hippokrates Weiſe b) mit ſeiner ſcharfſehenden Einfalt einzelne Gegenden klimatiſch bemerke und ſodann langſam, langſam allgemeine Schluͤſſe folgere. Natur- a) S. Gmelin uͤber die neuern Entdeckungen in der Lehre von der Luft, Berl. 1784. b) S. Hippocrat. de aëre, locis et aquis, vorzuͤglich den zweyten Theil der Abhandlung. Fuͤr mich der Hauptſchriftſteller uͤber das Klima.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/110>, abgerufen am 24.11.2024.