Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

erzeugena). Die alten Sätze, daß der Mensch nur in einem
Klima leben könne, das die Hitze des Bluts nicht übersteiget,
sind durch Erfahrungen widerlegt; die neuern Systeme hin-
gegen vom Ursprung und der Wirkung animalischer Wärme
sind lange noch nicht zu der Vollkommenheit gediehen, daß
man auf irgend eine Weise an eine Klimatologie nur des
menschlichen Baues, geschweige aller menschlichen Seelen-
vermögen und ihres so willkührlichen Gebrauchs denken kön-
te. Freilich weiß jedermann, daß Wärme die Fibern aus-
dehne und erschlaffe, daß sie die Säfte verdünne und die Aus-
dünstung fördere, daß sie also auch die festen Theile mit der
Zeit schwammig und locker zu machen vermöge u. f.; das
Gesetz im Ganzen bleibt sicherb), auch hat man aus ihm
und seinem Gegensatz, der Kälte, mancherlei physiologische
Phänomene schön erklärtc); allgemeine Folgerungen aber,

die
a) S. Crells Versuche über das Vermögen der Pflanzen und Thie-
re, Wärme zu erzeugen und zu vernichten Helmst. 1778. Craw-
ford's
Versuche über das Vermögen der Thiere, Kälte hervor-
zubringen Philos. transact. Vol. 71. P. 2. XXXI.
b) S. Gaubius Pathologie, Cap. V. X. etc. eine Logik aller
Pathologieen.
c) S. Montesquieu, Castillon, Falconer; eine Menge
schlechterer Schriften, Esprit des nations, Physique de l'histoi-
re etc.
zu geschweigen.

erzeugena). Die alten Saͤtze, daß der Menſch nur in einem
Klima leben koͤnne, das die Hitze des Bluts nicht uͤberſteiget,
ſind durch Erfahrungen widerlegt; die neuern Syſteme hin-
gegen vom Urſprung und der Wirkung animaliſcher Waͤrme
ſind lange noch nicht zu der Vollkommenheit gediehen, daß
man auf irgend eine Weiſe an eine Klimatologie nur des
menſchlichen Baues, geſchweige aller menſchlichen Seelen-
vermoͤgen und ihres ſo willkuͤhrlichen Gebrauchs denken koͤn-
te. Freilich weiß jedermann, daß Waͤrme die Fibern aus-
dehne und erſchlaffe, daß ſie die Saͤfte verduͤnne und die Aus-
duͤnſtung foͤrdere, daß ſie alſo auch die feſten Theile mit der
Zeit ſchwammig und locker zu machen vermoͤge u. f.; das
Geſetz im Ganzen bleibt ſicherb), auch hat man aus ihm
und ſeinem Gegenſatz, der Kaͤlte, mancherlei phyſiologiſche
Phaͤnomene ſchoͤn erklaͤrtc); allgemeine Folgerungen aber,

die
a) S. Crells Verſuche uͤber das Vermoͤgen der Pflanzen und Thie-
re, Waͤrme zu erzeugen und zu vernichten Helmſt. 1778. Craw-
ford's
Verſuche uͤber das Vermoͤgen der Thiere, Kaͤlte hervor-
zubringen Philoſ. transact. Vol. 71. P. 2. XXXI.
b) S. Gaubius Pathologie, Cap. V. X. etc. eine Logik aller
Pathologieen.
c) S. Montesquieu, Caſtillon, Falconer; eine Menge
ſchlechterer Schriften, Eſprit des nations, Phyſique de l'hiſtoi-
re etc.
zu geſchweigen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="95"/>
erzeugen<note place="foot" n="a)">S. <hi rendition="#fr">Crells</hi> Ver&#x017F;uche u&#x0364;ber das Vermo&#x0364;gen der Pflanzen und Thie-<lb/>
re, Wa&#x0364;rme zu erzeugen und zu vernichten Helm&#x017F;t. 1778. <hi rendition="#fr">Craw-<lb/>
ford's</hi> Ver&#x017F;uche u&#x0364;ber das Vermo&#x0364;gen der Thiere, Ka&#x0364;lte hervor-<lb/>
zubringen <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;. transact. Vol. 71. P. 2. XXXI.</hi></note>. Die alten Sa&#x0364;tze, daß der Men&#x017F;ch nur in einem<lb/>
Klima leben ko&#x0364;nne, das die Hitze des Bluts nicht u&#x0364;ber&#x017F;teiget,<lb/>
&#x017F;ind durch Erfahrungen widerlegt; die neuern Sy&#x017F;teme hin-<lb/>
gegen vom Ur&#x017F;prung und der Wirkung animali&#x017F;cher Wa&#x0364;rme<lb/>
&#x017F;ind lange noch nicht zu der Vollkommenheit gediehen, daß<lb/>
man auf irgend eine Wei&#x017F;e an eine Klimatologie nur des<lb/>
men&#x017F;chlichen Baues, ge&#x017F;chweige aller men&#x017F;chlichen Seelen-<lb/>
vermo&#x0364;gen und ihres &#x017F;o willku&#x0364;hrlichen Gebrauchs denken ko&#x0364;n-<lb/>
te. Freilich weiß jedermann, daß Wa&#x0364;rme die Fibern aus-<lb/>
dehne und er&#x017F;chlaffe, daß &#x017F;ie die Sa&#x0364;fte verdu&#x0364;nne und die Aus-<lb/>
du&#x0364;n&#x017F;tung fo&#x0364;rdere, daß &#x017F;ie al&#x017F;o auch die fe&#x017F;ten Theile mit der<lb/>
Zeit &#x017F;chwammig und locker zu machen vermo&#x0364;ge u. f.; das<lb/>
Ge&#x017F;etz im Ganzen bleibt &#x017F;icher<note place="foot" n="b)">S. <hi rendition="#fr">Gaubius</hi> Pathologie, <hi rendition="#aq">Cap. V. X. etc.</hi> eine Logik aller<lb/>
Pathologieen.</note>, auch hat man aus ihm<lb/>
und &#x017F;einem Gegen&#x017F;atz, der Ka&#x0364;lte, mancherlei phy&#x017F;iologi&#x017F;che<lb/>
Pha&#x0364;nomene &#x017F;cho&#x0364;n erkla&#x0364;rt<note place="foot" n="c)">S. <hi rendition="#fr">Montesquieu, Ca&#x017F;tillon, Falconer</hi>; eine Menge<lb/>
&#x017F;chlechterer Schriften, <hi rendition="#aq">E&#x017F;prit des nations, Phy&#x017F;ique de l'hi&#x017F;toi-<lb/>
re etc.</hi> zu ge&#x017F;chweigen.</note>; allgemeine Folgerungen aber,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0107] erzeugen a). Die alten Saͤtze, daß der Menſch nur in einem Klima leben koͤnne, das die Hitze des Bluts nicht uͤberſteiget, ſind durch Erfahrungen widerlegt; die neuern Syſteme hin- gegen vom Urſprung und der Wirkung animaliſcher Waͤrme ſind lange noch nicht zu der Vollkommenheit gediehen, daß man auf irgend eine Weiſe an eine Klimatologie nur des menſchlichen Baues, geſchweige aller menſchlichen Seelen- vermoͤgen und ihres ſo willkuͤhrlichen Gebrauchs denken koͤn- te. Freilich weiß jedermann, daß Waͤrme die Fibern aus- dehne und erſchlaffe, daß ſie die Saͤfte verduͤnne und die Aus- duͤnſtung foͤrdere, daß ſie alſo auch die feſten Theile mit der Zeit ſchwammig und locker zu machen vermoͤge u. f.; das Geſetz im Ganzen bleibt ſicher b), auch hat man aus ihm und ſeinem Gegenſatz, der Kaͤlte, mancherlei phyſiologiſche Phaͤnomene ſchoͤn erklaͤrt c); allgemeine Folgerungen aber, die a) S. Crells Verſuche uͤber das Vermoͤgen der Pflanzen und Thie- re, Waͤrme zu erzeugen und zu vernichten Helmſt. 1778. Craw- ford's Verſuche uͤber das Vermoͤgen der Thiere, Kaͤlte hervor- zubringen Philoſ. transact. Vol. 71. P. 2. XXXI. b) S. Gaubius Pathologie, Cap. V. X. etc. eine Logik aller Pathologieen. c) S. Montesquieu, Caſtillon, Falconer; eine Menge ſchlechterer Schriften, Eſprit des nations, Phyſique de l'hiſtoi- re etc. zu geſchweigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/107
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/107>, abgerufen am 24.11.2024.