festen Breite des Landes fort und ohngefähr in der Mitte ist sein Knote; wer sollte denken, daß es auf dem untern Hemi- sphär gerade anders, in die größeste Länge sich strecken würde? und doch ists also. Schon dies macht eine gänzliche Ver- schiedenheit beider Welttheile. Die hohen Striche Sibe- riens, die nicht nur den kalten Nord- und Nordostwinden ausgesetzt, sondern auch durch die mit ewigem Schnee be- deckten Urgebürge vom erwärmenden Südwinde abgeschnit- ten sind, mußten also, (zumal da ihr öfters salziger Boden da- zu kam), auch noch in manchen südlichen Strichen so erstar- rend kalt werden, als wir sie aus Beschreibungen kennen; bis hie und da andre Reihen dieser Berge sie vor den schär- fern Winden schützten und mildere Thalgegenden bilden konnten. Unmittelbar unter diesem Gebürge aber, in der Mitte Asiens, welche schöne Gegenden breiteten sich nieder! Sie waren durch jene Mauern vor den erstarrenden Winden des Nords gedeckt und bekamen von ihnen nur kühlende Lüf- te. Die Natur änderte daher auch südlich den Lauf der Ge- bürge und ließ sie auf den beiden Halbinseln Jndostans, Ma- lacca, Ceylon u. f. längs hinab laufen. Hiemit gab sie bei- den Seiten dieser Länder entgegengesetzte Jahreßeiten, regel- mäßige Abwechselungen, und machte sie auch dadurch zu den glücklichsten Erdstrichen der Welt. Jn Afrika kennen wir die innern Gebürgreihen zu wenig; indessen wissen wir, daß
auch
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feſten Breite des Landes fort und ohngefaͤhr in der Mitte iſt ſein Knote; wer ſollte denken, daß es auf dem untern Hemi- ſphaͤr gerade anderſ, in die groͤßeſte Laͤnge ſich ſtrecken wuͤrde? und doch iſts alſo. Schon dies macht eine gaͤnzliche Ver- ſchiedenheit beider Welttheile. Die hohen Striche Sibe- rienſ, die nicht nur den kalten Nord- und Nordoſtwinden auſgeſetzt, ſondern auch durch die mit ewigem Schnee be- deckten Urgebuͤrge vom erwaͤrmenden Suͤdwinde abgeſchnit- ten ſind, mußten alſo, (zumal da ihr oͤfters ſalziger Boden da- zu kam), auch noch in manchen ſuͤdlichen Strichen ſo erſtar- rend kalt werden, als wir ſie aus Beſchreibungen kennen; bis hie und da andre Reihen dieſer Berge ſie vor den ſchaͤr- fern Winden ſchuͤtzten und mildere Thalgegenden bilden konnten. Unmittelbar unter dieſem Gebuͤrge aber, in der Mitte Aſienſ, welche ſchoͤne Gegenden breiteten ſich nieder! Sie waren durch jene Mauern vor den erſtarrenden Winden des Nords gedeckt und bekamen von ihnen nur kuͤhlende Luͤf- te. Die Natur aͤnderte daher auch ſuͤdlich den Lauf der Ge- buͤrge und ließ ſie auf den beiden Halbinſeln Jndoſtanſ, Ma- lacca, Ceylon u. f. laͤngs hinab laufen. Hiemit gab ſie bei- den Seiten dieſer Laͤnder entgegengeſetzte Jahreſzeiten, regel- maͤßige Abwechſelungen, und machte ſie auch dadurch zu den gluͤcklichſten Erdſtrichen der Welt. Jn Afrika kennen wir die innern Gebuͤrgreihen zu wenig; indeſſen wiſſen wir, daß
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feſten Breite des Landes fort und ohngefaͤhr in der Mitte iſt
ſein Knote; wer ſollte denken, daß es auf dem untern Hemi-
ſphaͤr gerade anderſ, in die groͤßeſte Laͤnge ſich ſtrecken wuͤrde?
und doch iſts alſo. Schon dies macht eine gaͤnzliche Ver-
ſchiedenheit beider Welttheile. Die hohen Striche Sibe-
rienſ, die nicht nur den kalten Nord- und Nordoſtwinden
auſgeſetzt, ſondern auch durch die mit ewigem Schnee be-
deckten Urgebuͤrge vom erwaͤrmenden Suͤdwinde abgeſchnit-
ten ſind, mußten alſo, (zumal da ihr oͤfters ſalziger Boden da-
zu kam), auch noch in manchen ſuͤdlichen Strichen ſo erſtar-
rend kalt werden, als wir ſie aus Beſchreibungen kennen;
bis hie und da andre Reihen dieſer Berge ſie vor den ſchaͤr-
fern Winden ſchuͤtzten und mildere Thalgegenden bilden
konnten. Unmittelbar unter dieſem Gebuͤrge aber, in der
Mitte Aſienſ, welche ſchoͤne Gegenden breiteten ſich nieder!
Sie waren durch jene Mauern vor den erſtarrenden Winden
des Nords gedeckt und bekamen von ihnen nur kuͤhlende Luͤf-
te. Die Natur aͤnderte daher auch ſuͤdlich den Lauf der Ge-
buͤrge und ließ ſie auf den beiden Halbinſeln Jndoſtanſ, Ma-
lacca, Ceylon u. f. laͤngs hinab laufen. Hiemit gab ſie bei-
den Seiten dieſer Laͤnder entgegengeſetzte Jahreſzeiten, regel-
maͤßige Abwechſelungen, und machte ſie auch dadurch zu den
gluͤcklichſten Erdſtrichen der Welt. Jn Afrika kennen wir
die innern Gebuͤrgreihen zu wenig; indeſſen wiſſen wir, daß
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/73>, abgerufen am 25.11.2024.
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