Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

da, vestgebildet und wohl gestärkt, nach und nach in die heis-
sern und kältern Regionen wandern. Dort konnten die er-
sten Geschlechter zuerst ruhig wohnen, mit den Gebürgen und
Strömen sich sodann allmählich herabziehn und härterer Ge-
genden gewohnt werden. Jeder bearbeitete seinen kleinen
Umkreis und nutzte ihn als ob er das Universum wäre.
Glück und Unglück breiteten sich nicht so unaufhaltsam wei-
ter, als wenn Eine wahrscheinlich höhere Bergkette unter dem
Aequator die ganze Nord- und Südwelt hätte beherrschen
sollen. So hat der Schöpfer der Welt es immer besser ge-
ordnet, als wir ihm vorschreiben mögen; auch die unregel-
mäßige Gestalt unsrer Erde erreichte Zwecke, die eine größe-
re Regelmäßigkeit nicht würde erreicht haben.

VII.
Durch die Strecken der Gebürge wurden unsre
beiden Hemisphäre ein Schauplatz der son-
derbarsten Verschiedenheit und Abwechs-
lung.

Jch verfolge auch hier noch den Anblick der allgemeinen
Weltcharte. Jn Asien streckt sich das Gebürge in der grös-

sesten

da, veſtgebildet und wohl geſtaͤrkt, nach und nach in die heiſ-
ſern und kaͤltern Regionen wandern. Dort konnten die er-
ſten Geſchlechter zuerſt ruhig wohnen, mit den Gebuͤrgen und
Stroͤmen ſich ſodann allmaͤhlich herabziehn und haͤrterer Ge-
genden gewohnt werden. Jeder bearbeitete ſeinen kleinen
Umkreis und nutzte ihn als ob er das Univerſum waͤre.
Gluͤck und Ungluͤck breiteten ſich nicht ſo unaufhaltſam wei-
ter, als wenn Eine wahrſcheinlich hoͤhere Bergkette unter dem
Aequator die ganze Nord- und Suͤdwelt haͤtte beherrſchen
ſollen. So hat der Schoͤpfer der Welt es immer beſſer ge-
ordnet, als wir ihm vorſchreiben moͤgen; auch die unregel-
maͤßige Geſtalt unſrer Erde erreichte Zwecke, die eine groͤße-
re Regelmaͤßigkeit nicht wuͤrde erreicht haben.

VII.
Durch die Strecken der Gebuͤrge wurden unſre
beiden Hemiſphaͤre ein Schauplatz der ſon-
derbarſten Verſchiedenheit und Abwechs-
lung.

Jch verfolge auch hier noch den Anblick der allgemeinen
Weltcharte. Jn Aſien ſtreckt ſich das Gebuͤrge in der groͤſ-

ſeſten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0072" n="50"/>
da, ve&#x017F;tgebildet und wohl ge&#x017F;ta&#x0364;rkt, nach und nach in die hei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern und ka&#x0364;ltern Regionen wandern. Dort konnten die er-<lb/>
&#x017F;ten Ge&#x017F;chlechter zuer&#x017F;t ruhig wohnen, mit den Gebu&#x0364;rgen und<lb/>
Stro&#x0364;men &#x017F;ich &#x017F;odann allma&#x0364;hlich herabziehn und ha&#x0364;rterer Ge-<lb/>
genden gewohnt werden. Jeder bearbeitete &#x017F;einen kleinen<lb/>
Umkreis und nutzte ihn als ob er das Univer&#x017F;um wa&#x0364;re.<lb/>
Glu&#x0364;ck und Unglu&#x0364;ck breiteten &#x017F;ich nicht &#x017F;o unaufhalt&#x017F;am wei-<lb/>
ter, als wenn Eine wahr&#x017F;cheinlich ho&#x0364;here Bergkette unter dem<lb/>
Aequator die ganze Nord- und Su&#x0364;dwelt ha&#x0364;tte beherr&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ollen. So hat der Scho&#x0364;pfer der Welt es immer be&#x017F;&#x017F;er ge-<lb/>
ordnet, als wir ihm vor&#x017F;chreiben mo&#x0364;gen; auch die unregel-<lb/>
ma&#x0364;ßige Ge&#x017F;talt un&#x017F;rer Erde erreichte Zwecke, die eine gro&#x0364;ße-<lb/>
re Regelma&#x0364;ßigkeit nicht wu&#x0364;rde erreicht haben.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">VII</hi>.<lb/>
Durch die Strecken der Gebu&#x0364;rge wurden un&#x017F;re<lb/>
beiden Hemi&#x017F;pha&#x0364;re ein Schauplatz der &#x017F;on-<lb/>
derbar&#x017F;ten Ver&#x017F;chiedenheit und Abwechs-<lb/>
lung.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch verfolge auch hier noch den Anblick der allgemeinen<lb/>
Weltcharte. Jn A&#x017F;ien &#x017F;treckt &#x017F;ich das Gebu&#x0364;rge in der gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;e&#x017F;ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0072] da, veſtgebildet und wohl geſtaͤrkt, nach und nach in die heiſ- ſern und kaͤltern Regionen wandern. Dort konnten die er- ſten Geſchlechter zuerſt ruhig wohnen, mit den Gebuͤrgen und Stroͤmen ſich ſodann allmaͤhlich herabziehn und haͤrterer Ge- genden gewohnt werden. Jeder bearbeitete ſeinen kleinen Umkreis und nutzte ihn als ob er das Univerſum waͤre. Gluͤck und Ungluͤck breiteten ſich nicht ſo unaufhaltſam wei- ter, als wenn Eine wahrſcheinlich hoͤhere Bergkette unter dem Aequator die ganze Nord- und Suͤdwelt haͤtte beherrſchen ſollen. So hat der Schoͤpfer der Welt es immer beſſer ge- ordnet, als wir ihm vorſchreiben moͤgen; auch die unregel- maͤßige Geſtalt unſrer Erde erreichte Zwecke, die eine groͤße- re Regelmaͤßigkeit nicht wuͤrde erreicht haben. VII. Durch die Strecken der Gebuͤrge wurden unſre beiden Hemiſphaͤre ein Schauplatz der ſon- derbarſten Verſchiedenheit und Abwechs- lung. Jch verfolge auch hier noch den Anblick der allgemeinen Weltcharte. Jn Aſien ſtreckt ſich das Gebuͤrge in der groͤſ- ſeſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/72
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/72>, abgerufen am 19.05.2024.