Ein gleiches ists mit dem Einschnitt zwischen Spanien und Frankreich, mit dem Kanal zwischen diesem und England, mit der Gestalt Englands, Jtaliens, des alten Griechenlan- des. Man ändere die Grenzen dieser Länder, nehme hier ei- ne Meerenge weg, schließe dort eine Straße zu; und die Bildung und Verwüstung der Welt, das Schicksal ganzer Völker und Welttheile geht Jahrhunderte durch auf einem andern Wege.
Zweitens. Fragt man also: warum es ausser unsern vier Welttheilen keinen fünften Welttheil in jenem unge- heuren Meer giebt, in dem man ihn so lange für gewiß gehalten: so ist die Antwort anjetzt durch That- sachen ziemlich entschieden: weil es in dieser Meerestiefe kein so hohes Urgebürge gab, an dem sich ein großes vestes Land bilden konnte. Die asiatischen Gebürge schneiden sich in Ceylon mit dem Adams-Berge, auf Sumatra und Bor- neo mit den Bergstrecken aus Malakka und Siam ab; so wie die Afrikanischen am Vorgebürge der guten Hoffnung und die Amerikanischen am Feuerlande. Nun geht der Gra- nit, die Grundsäule des vesten Landes, in die Tiefe nieder und kommt, hohen Strecken nach, nirgend mehr überm Meer zum Vorschein. Das große Neuholland hat keine Gebürg- kette der ersten Gattung; die Philippinen, Molukken und
die
Ein gleiches iſts mit dem Einſchnitt zwiſchen Spanien und Frankreich, mit dem Kanal zwiſchen dieſem und England, mit der Geſtalt Englands, Jtaliens, des alten Griechenlan- des. Man aͤndere die Grenzen dieſer Laͤnder, nehme hier ei- ne Meerenge weg, ſchließe dort eine Straße zu; und die Bildung und Verwuͤſtung der Welt, das Schickſal ganzer Voͤlker und Welttheile geht Jahrhunderte durch auf einem andern Wege.
Zweitens. Fragt man alſo: warum es auſſer unſern vier Welttheilen keinen fuͤnften Welttheil in jenem unge- heuren Meer giebt, in dem man ihn ſo lange fuͤr gewiß gehalten: ſo iſt die Antwort anjetzt durch That- ſachen ziemlich entſchieden: weil es in dieſer Meerestiefe kein ſo hohes Urgebuͤrge gab, an dem ſich ein großes veſtes Land bilden konnte. Die aſiatiſchen Gebuͤrge ſchneiden ſich in Ceylon mit dem Adams-Berge, auf Sumatra und Bor- neo mit den Bergſtrecken aus Malakka und Siam ab; ſo wie die Afrikaniſchen am Vorgebuͤrge der guten Hoffnung und die Amerikaniſchen am Feuerlande. Nun geht der Gra- nit, die Grundſaͤule des veſten Landes, in die Tiefe nieder und kommt, hohen Strecken nach, nirgend mehr uͤberm Meer zum Vorſchein. Das große Neuholland hat keine Gebuͤrg- kette der erſten Gattung; die Philippinen, Molukken und
die
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Ein gleiches iſts mit dem Einſchnitt zwiſchen Spanien und
Frankreich, mit dem Kanal zwiſchen dieſem und England,
mit der Geſtalt Englands, Jtaliens, des alten Griechenlan-
des. Man aͤndere die Grenzen dieſer Laͤnder, nehme hier ei-
ne Meerenge weg, ſchließe dort eine Straße zu; und die
Bildung und Verwuͤſtung der Welt, das Schickſal ganzer
Voͤlker und Welttheile geht Jahrhunderte durch auf einem
andern Wege.
Zweitens. Fragt man alſo: warum es auſſer unſern
vier Welttheilen keinen fuͤnften Welttheil in jenem unge-
heuren Meer giebt, in dem man ihn ſo lange fuͤr
gewiß gehalten: ſo iſt die Antwort anjetzt durch That-
ſachen ziemlich entſchieden: weil es in dieſer Meerestiefe
kein ſo hohes Urgebuͤrge gab, an dem ſich ein großes veſtes
Land bilden konnte. Die aſiatiſchen Gebuͤrge ſchneiden ſich
in Ceylon mit dem Adams-Berge, auf Sumatra und Bor-
neo mit den Bergſtrecken aus Malakka und Siam ab; ſo
wie die Afrikaniſchen am Vorgebuͤrge der guten Hoffnung
und die Amerikaniſchen am Feuerlande. Nun geht der Gra-
nit, die Grundſaͤule des veſten Landes, in die Tiefe nieder
und kommt, hohen Strecken nach, nirgend mehr uͤberm Meer
zum Vorſchein. Das große Neuholland hat keine Gebuͤrg-
kette der erſten Gattung; die Philippinen, Molukken und
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/69>, abgerufen am 25.11.2024.
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