ihr Magen und Eingeweide, besonders die Gurgel zusam- men, die lechzend nnd ausgetrocknet war. Lauter Erweise, wie sehr sich die biegsame menschliche Natur, selbst da sie von Menschen gebohren und eine Zeitlang unter ihnen erzogen worden, in wenigen Jahren zu der niedrigen Thierart gewöh- nen konnte, unter die sie ein unglücklicher Zufall setzte.
Nun könnte ich auch den häßlichen Traum ausmahlen, was aus der Menschheit hätte werden müssen, wenn sie zu diesem Loose verdammt, in einem vierfüßigen Mutterleibe zu einem Thierfötus gebildet wäre: welche Kräfte sich damit hätten stärken und schwächen, welches der Gang der Men- schenthiere, ihre Erziehung, ihre Lebensart, ihr Gliederbau hätte seyn müssen? u. f. f. Aber fliehe unseliges und ab- scheuliches Bild! häßliche Unnatur des natürlichen Men- schen. Du bist weder in der Natur da; noch sollt du durch Einen Strich meiner Farben vorgestellt werden. Denn:
2. Der aufrechte Gang des Menschen ist ihm einzig natürlich: ja er ist die Organisation zum gan- zen Beruf seiner Gattung, und sein unterscheidender Charakter.
Kein Volk der Erde hat man vierfüßig gefunden; auch die wildesten haben aufrechten Gang, so sehr sich manche an
Bil-
U 3
ihr Magen und Eingeweide, beſonders die Gurgel zuſam- men, die lechzend nnd ausgetrocknet war. Lauter Erweiſe, wie ſehr ſich die biegſame menſchliche Natur, ſelbſt da ſie von Menſchen gebohren und eine Zeitlang unter ihnen erzogen worden, in wenigen Jahren zu der niedrigen Thierart gewoͤh- nen konnte, unter die ſie ein ungluͤcklicher Zufall ſetzte.
Nun koͤnnte ich auch den haͤßlichen Traum ausmahlen, was aus der Menſchheit haͤtte werden muͤſſen, wenn ſie zu dieſem Looſe verdammt, in einem vierfuͤßigen Mutterleibe zu einem Thierfoͤtus gebildet waͤre: welche Kraͤfte ſich damit haͤtten ſtaͤrken und ſchwaͤchen, welches der Gang der Men- ſchenthiere, ihre Erziehung, ihre Lebensart, ihr Gliederbau haͤtte ſeyn muͤſſen? u. f. f. Aber fliehe unſeliges und ab- ſcheuliches Bild! haͤßliche Unnatur des natuͤrlichen Men- ſchen. Du biſt weder in der Natur da; noch ſollt du durch Einen Strich meiner Farben vorgeſtellt werden. Denn:
2. Der aufrechte Gang des Menſchen iſt ihm einzig natuͤrlich: ja er iſt die Organiſation zum gan- zen Beruf ſeiner Gattung, und ſein unterſcheidender Charakter.
Kein Volk der Erde hat man vierfuͤßig gefunden; auch die wildeſten haben aufrechten Gang, ſo ſehr ſich manche an
Bil-
U 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0179"n="177[157]"/>
ihr Magen und Eingeweide, beſonders die Gurgel zuſam-<lb/>
men, die lechzend nnd ausgetrocknet war. Lauter Erweiſe,<lb/>
wie ſehr ſich die biegſame menſchliche Natur, ſelbſt da ſie von<lb/>
Menſchen gebohren und eine Zeitlang unter ihnen erzogen<lb/>
worden, in wenigen Jahren zu der niedrigen Thierart gewoͤh-<lb/>
nen konnte, unter die ſie ein ungluͤcklicher Zufall ſetzte.</p><lb/><p>Nun koͤnnte ich auch den haͤßlichen Traum ausmahlen,<lb/>
was aus der Menſchheit haͤtte werden muͤſſen, wenn ſie zu<lb/>
dieſem Looſe verdammt, in einem vierfuͤßigen Mutterleibe zu<lb/>
einem Thierfoͤtus gebildet waͤre: welche Kraͤfte ſich damit<lb/>
haͤtten ſtaͤrken und ſchwaͤchen, welches der Gang der Men-<lb/>ſchenthiere, ihre Erziehung, ihre Lebensart, ihr Gliederbau<lb/>
haͤtte ſeyn muͤſſen? u. f. f. Aber fliehe unſeliges und ab-<lb/>ſcheuliches Bild! haͤßliche Unnatur des natuͤrlichen Men-<lb/>ſchen. Du biſt weder in der Natur da; noch ſollt du durch<lb/>
Einen Strich meiner Farben vorgeſtellt werden. Denn:</p><lb/><p>2. <hirendition="#fr">Der aufrechte Gang des Menſchen iſt ihm<lb/>
einzig natuͤrlich: ja er iſt die Organiſation zum gan-<lb/>
zen Beruf ſeiner Gattung, und ſein unterſcheidender<lb/>
Charakter.</hi></p><lb/><p>Kein Volk der Erde hat man vierfuͤßig gefunden; auch<lb/>
die wildeſten haben aufrechten Gang, ſo ſehr ſich manche an<lb/><fwplace="bottom"type="sig">U 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Bil-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[177[157]/0179]
ihr Magen und Eingeweide, beſonders die Gurgel zuſam-
men, die lechzend nnd ausgetrocknet war. Lauter Erweiſe,
wie ſehr ſich die biegſame menſchliche Natur, ſelbſt da ſie von
Menſchen gebohren und eine Zeitlang unter ihnen erzogen
worden, in wenigen Jahren zu der niedrigen Thierart gewoͤh-
nen konnte, unter die ſie ein ungluͤcklicher Zufall ſetzte.
Nun koͤnnte ich auch den haͤßlichen Traum ausmahlen,
was aus der Menſchheit haͤtte werden muͤſſen, wenn ſie zu
dieſem Looſe verdammt, in einem vierfuͤßigen Mutterleibe zu
einem Thierfoͤtus gebildet waͤre: welche Kraͤfte ſich damit
haͤtten ſtaͤrken und ſchwaͤchen, welches der Gang der Men-
ſchenthiere, ihre Erziehung, ihre Lebensart, ihr Gliederbau
haͤtte ſeyn muͤſſen? u. f. f. Aber fliehe unſeliges und ab-
ſcheuliches Bild! haͤßliche Unnatur des natuͤrlichen Men-
ſchen. Du biſt weder in der Natur da; noch ſollt du durch
Einen Strich meiner Farben vorgeſtellt werden. Denn:
2. Der aufrechte Gang des Menſchen iſt ihm
einzig natuͤrlich: ja er iſt die Organiſation zum gan-
zen Beruf ſeiner Gattung, und ſein unterſcheidender
Charakter.
Kein Volk der Erde hat man vierfuͤßig gefunden; auch
die wildeſten haben aufrechten Gang, ſo ſehr ſich manche an
Bil-
U 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 177[157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/179>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.