Stirn, ein erhöhetes Hinterhaupt, eine weite blöckende Kehle, eine dicke an den Gaum gewachsene Zunge, eine stark einwärts gezogene Herzgrube; gerade wie es der vierfüßige Gang geben mußte. Das niederländische Mägdchen, die noch aufrecht gieng und bei der sich die weibliche Natur so- weit erhalten hatte, daß sie sich mit einer Strohschürze deckte, hatte eine braune, rauche, dicke Haut, ein langes und dickes Haar. Das Mädchen, das zu Songi in Champagne ge- fangen ward, hatte ein schwarzes Ansehen, starke Finger, lange Nägel; und besonders waren die Daumen so stark und verlängert, daß sie sich damit wie ein Eichhörnchen von Baum zu Baum schwang. Jhr schneller Lauf war kein Gehen, sondern ein fliegendes Trippeln und Fortgleiten, wobei an den Füßen fast gar keine Bewegung zu unterscheiden war. Der Ton ihrer Stimme war fein und schwach; ihr Geschrei durchdringend und erschrecklich. Sie hatte ungewöhnliche Leichtigkeit und Stärke und war von ihrer vorigen Nahrung des blutigen und rohen Fleisches, der Fische, der Blätter und Wurzeln so schwer zu entwöhnen, daß sie nicht nur zu entfliehen suchte, sondern auch in eine tödtliche Krankheit fiel, aus der sie nur durch Saugen des warmen Bluts, das sie wie ein Balsam durchdrang, zurückgebracht werden konnte. Jhre Zähne und Nägel fielen aus, da sie sich zu unsern Speisen gewöhnen sollte: unerträgliche Schmerzen zogen
ihr
Stirn, ein erhoͤhetes Hinterhaupt, eine weite bloͤckende Kehle, eine dicke an den Gaum gewachſene Zunge, eine ſtark einwaͤrts gezogene Herzgrube; gerade wie es der vierfuͤßige Gang geben mußte. Das niederlaͤndiſche Maͤgdchen, die noch aufrecht gieng und bei der ſich die weibliche Natur ſo- weit erhalten hatte, daß ſie ſich mit einer Strohſchuͤrze deckte, hatte eine braune, rauche, dicke Haut, ein langes und dickes Haar. Das Maͤdchen, das zu Songi in Champagne ge- fangen ward, hatte ein ſchwarzes Anſehen, ſtarke Finger, lange Naͤgel; und beſonders waren die Daumen ſo ſtark und verlaͤngert, daß ſie ſich damit wie ein Eichhoͤrnchen von Baum zu Baum ſchwang. Jhr ſchneller Lauf war kein Gehen, ſondern ein fliegendes Trippeln und Fortgleiten, wobei an den Fuͤßen faſt gar keine Bewegung zu unterſcheiden war. Der Ton ihrer Stimme war fein und ſchwach; ihr Geſchrei durchdringend und erſchrecklich. Sie hatte ungewoͤhnliche Leichtigkeit und Staͤrke und war von ihrer vorigen Nahrung des blutigen und rohen Fleiſches, der Fiſche, der Blaͤtter und Wurzeln ſo ſchwer zu entwoͤhnen, daß ſie nicht nur zu entfliehen ſuchte, ſondern auch in eine toͤdtliche Krankheit fiel, aus der ſie nur durch Saugen des warmen Bluts, das ſie wie ein Balſam durchdrang, zuruͤckgebracht werden konnte. Jhre Zaͤhne und Naͤgel fielen aus, da ſie ſich zu unſern Speiſen gewoͤhnen ſollte: unertraͤgliche Schmerzen zogen
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[176[156]/0178]
Stirn, ein erhoͤhetes Hinterhaupt, eine weite bloͤckende
Kehle, eine dicke an den Gaum gewachſene Zunge, eine ſtark
einwaͤrts gezogene Herzgrube; gerade wie es der vierfuͤßige
Gang geben mußte. Das niederlaͤndiſche Maͤgdchen, die
noch aufrecht gieng und bei der ſich die weibliche Natur ſo-
weit erhalten hatte, daß ſie ſich mit einer Strohſchuͤrze deckte,
hatte eine braune, rauche, dicke Haut, ein langes und dickes
Haar. Das Maͤdchen, das zu Songi in Champagne ge-
fangen ward, hatte ein ſchwarzes Anſehen, ſtarke Finger,
lange Naͤgel; und beſonders waren die Daumen ſo ſtark und
verlaͤngert, daß ſie ſich damit wie ein Eichhoͤrnchen von Baum
zu Baum ſchwang. Jhr ſchneller Lauf war kein Gehen,
ſondern ein fliegendes Trippeln und Fortgleiten, wobei an
den Fuͤßen faſt gar keine Bewegung zu unterſcheiden war.
Der Ton ihrer Stimme war fein und ſchwach; ihr Geſchrei
durchdringend und erſchrecklich. Sie hatte ungewoͤhnliche
Leichtigkeit und Staͤrke und war von ihrer vorigen Nahrung
des blutigen und rohen Fleiſches, der Fiſche, der Blaͤtter
und Wurzeln ſo ſchwer zu entwoͤhnen, daß ſie nicht nur zu
entfliehen ſuchte, ſondern auch in eine toͤdtliche Krankheit
fiel, aus der ſie nur durch Saugen des warmen Bluts, das
ſie wie ein Balſam durchdrang, zuruͤckgebracht werden konnte.
Jhre Zaͤhne und Naͤgel fielen aus, da ſie ſich zu unſern
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 176[156]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/178>, abgerufen am 23.11.2024.
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