der Gedanke ein: ob denn, da alles in der Welt seine Philosophie und Wissenschaft habe, nicht auch das, was uns am nächsten an- geht, die Geschichte der Menschheit im Ganzen und Großen eine Philosophie und Wissenschaft haben sollte? Alles erinnerte mich daran, Metaphysik und Moral, Physik und Naturge- schichte, die Religion endlich am meisten. Der Gott, der in der Natur Alles nach Maas, Zahl und Gewicht geord- net, der darnach das Wesen der Dinge, ihre Gestalt und Verknüpfung, ihren Lauf und ihre Erhaltung eingerichtet hat, so daß vom großen Weltgebäude bis zum Staubkorn, von der Kraft, die Erden und Sonnen hält, bis zum Fa- den eines Spinnegewebes nur Eine Weisheit, Güte und Macht herrschet, Er, der auch im menschlichen Körper und in den Kräften der menschlichen Seele alles so wunderbar und göttlich überdacht hat, daß wenn wir dem Allein- Weisen nur fernher nachzudenken wagen, wir uns in ei- nem Abgrunde seiner Gedanken verlieren; wie, sprach ich zu mir, dieser Gott sollte in der Bestimmung und Einrich- tung unsres Geschlechts im Ganzen von seiner Weisheit und Güte ablassen und hier keinen Plan haben? Oder er sollte uns denselben verbergen wollen, da er uns in der nie- drigern Schöpfung, die uns weniger angeht, so viel von
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der Gedanke ein: ob denn, da alles in der Welt ſeine Philoſophie und Wiſſenſchaft habe, nicht auch das, was uns am naͤchſten an- geht, die Geſchichte der Menſchheit im Ganzen und Großen eine Philoſophie und Wiſſenſchaft haben ſollte? Alles erinnerte mich daran, Metaphyſik und Moral, Phyſik und Naturge- ſchichte, die Religion endlich am meiſten. Der Gott, der in der Natur Alles nach Maas, Zahl und Gewicht geord- net, der darnach das Weſen der Dinge, ihre Geſtalt und Verknuͤpfung, ihren Lauf und ihre Erhaltung eingerichtet hat, ſo daß vom großen Weltgebaͤude bis zum Staubkorn, von der Kraft, die Erden und Sonnen haͤlt, bis zum Fa- den eines Spinnegewebes nur Eine Weisheit, Guͤte und Macht herrſchet, Er, der auch im menſchlichen Koͤrper und in den Kraͤften der menſchlichen Seele alles ſo wunderbar und goͤttlich uͤberdacht hat, daß wenn wir dem Allein- Weiſen nur fernher nachzudenken wagen, wir uns in ei- nem Abgrunde ſeiner Gedanken verlieren; wie, ſprach ich zu mir, dieſer Gott ſollte in der Beſtimmung und Einrich- tung unſres Geſchlechts im Ganzen von ſeiner Weisheit und Guͤte ablaſſen und hier keinen Plan haben? Oder er ſollte uns denſelben verbergen wollen, da er uns in der nie- drigern Schoͤpfung, die uns weniger angeht, ſo viel von
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[0015]
der Gedanke ein: ob denn, da alles in der Welt
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geht, die Geſchichte der Menſchheit im
Ganzen und Großen eine Philoſophie
und Wiſſenſchaft haben ſollte? Alles erinnerte
mich daran, Metaphyſik und Moral, Phyſik und Naturge-
ſchichte, die Religion endlich am meiſten. Der Gott, der
in der Natur Alles nach Maas, Zahl und Gewicht geord-
net, der darnach das Weſen der Dinge, ihre Geſtalt und
Verknuͤpfung, ihren Lauf und ihre Erhaltung eingerichtet
hat, ſo daß vom großen Weltgebaͤude bis zum Staubkorn,
von der Kraft, die Erden und Sonnen haͤlt, bis zum Fa-
den eines Spinnegewebes nur Eine Weisheit, Guͤte und
Macht herrſchet, Er, der auch im menſchlichen Koͤrper und
in den Kraͤften der menſchlichen Seele alles ſo wunderbar
und goͤttlich uͤberdacht hat, daß wenn wir dem Allein-
Weiſen nur fernher nachzudenken wagen, wir uns in ei-
nem Abgrunde ſeiner Gedanken verlieren; wie, ſprach ich
zu mir, dieſer Gott ſollte in der Beſtimmung und Einrich-
tung unſres Geſchlechts im Ganzen von ſeiner Weisheit
und Guͤte ablaſſen und hier keinen Plan haben? Oder er
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/15>, abgerufen am 27.11.2024.
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