Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

rerer innern Theile, zu dem sich keine Pflanze erhebet.
Auch in Jnsekten und Würmern sieht man schon Adern und
andre Absondrungswerkzeuge, zum Theil selbst Muskeln und
Nerven, die bei den Pflanzen noch durch Röhren und bei
den Pflanzenthieren durch ein Gebäude, das jenen ähnlich ist,
ersetzt wurden. Jn dem vollkommenern Geschöpf ward al-
so eine feinere Ausarbeitung des Safts, von dem es le-
bet, mithin auch der Wärme, durch die es lebt, befördert;
und so sproßet der Baum des Lebens vom pflanzenartigen
zum weissen Saft der Thiere, sodenn zum rötheren Blut und
endlich zur vollkommenern Wärme organischer Wesen. Je
mehr diese wächst, desto mehr sehen wir auch die innere Or-
ganisation sich absetzen, sich vervielfältigen und den Kreis-
lauf vollkommener werden, durch dessen Bewegung jene in-
nere Wärme wahrscheinlich allein entstehen konnte. Nur
Ein Principium des Lebens scheint in der Natur zu herr-
schen: dies ist der ätherische oder elektrische Strom, der
in den Röhren der Pflanze, in den Adern und Muskeln des
Thiers, endlich gar im Nervengebäude immer feiner und fei-
ner verarbeitet wird und zuletzt alle die wunderbaren Triebe
und Seelenkräfte anfacht, über deren Wirkung wir bei Thie-
ren und Menschen staunen. Das Wachsthum der Pflan-
zen, ob ihr Lebenssaft gleich viel organischer und feiner ist,
als die elektrische Kraft, die sich in der todten Natur äußert,

wird
O

rerer innern Theile, zu dem ſich keine Pflanze erhebet.
Auch in Jnſekten und Wuͤrmern ſieht man ſchon Adern und
andre Abſondrungswerkzeuge, zum Theil ſelbſt Muskeln und
Nerven, die bei den Pflanzen noch durch Roͤhren und bei
den Pflanzenthieren durch ein Gebaͤude, das jenen aͤhnlich iſt,
erſetzt wurden. Jn dem vollkommenern Geſchoͤpf ward al-
ſo eine feinere Ausarbeitung des Safts, von dem es le-
bet, mithin auch der Waͤrme, durch die es lebt, befoͤrdert;
und ſo ſproßet der Baum des Lebens vom pflanzenartigen
zum weiſſen Saft der Thiere, ſodenn zum roͤtheren Blut und
endlich zur vollkommenern Waͤrme organiſcher Weſen. Je
mehr dieſe waͤchſt, deſto mehr ſehen wir auch die innere Or-
ganiſation ſich abſetzen, ſich vervielfaͤltigen und den Kreis-
lauf vollkommener werden, durch deſſen Bewegung jene in-
nere Waͤrme wahrſcheinlich allein entſtehen konnte. Nur
Ein Principium des Lebens ſcheint in der Natur zu herr-
ſchen: dies iſt der aͤtheriſche oder elektriſche Strom, der
in den Roͤhren der Pflanze, in den Adern und Muskeln des
Thiers, endlich gar im Nervengebaͤude immer feiner und fei-
ner verarbeitet wird und zuletzt alle die wunderbaren Triebe
und Seelenkraͤfte anfacht, uͤber deren Wirkung wir bei Thie-
ren und Menſchen ſtaunen. Das Wachsthum der Pflan-
zen, ob ihr Lebensſaft gleich viel organiſcher und feiner iſt,
als die elektriſche Kraft, die ſich in der todten Natur aͤußert,

wird
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="105"/><hi rendition="#fr">rerer innern Theile,</hi> zu dem &#x017F;ich keine Pflanze erhebet.<lb/>
Auch in Jn&#x017F;ekten und Wu&#x0364;rmern &#x017F;ieht man &#x017F;chon Adern und<lb/>
andre Ab&#x017F;ondrungswerkzeuge, zum Theil &#x017F;elb&#x017F;t Muskeln und<lb/>
Nerven, die bei den Pflanzen noch durch Ro&#x0364;hren und bei<lb/>
den Pflanzenthieren durch ein Geba&#x0364;ude, das jenen a&#x0364;hnlich i&#x017F;t,<lb/>
er&#x017F;etzt wurden. Jn dem vollkommenern Ge&#x017F;cho&#x0364;pf ward al-<lb/>
&#x017F;o eine <hi rendition="#fr">feinere Ausarbeitung des Safts</hi>, von dem es le-<lb/>
bet, mithin auch der <hi rendition="#fr">Wa&#x0364;rme</hi>, durch die es lebt, befo&#x0364;rdert;<lb/>
und &#x017F;o &#x017F;proßet der Baum des Lebens vom pflanzenartigen<lb/>
zum wei&#x017F;&#x017F;en Saft der Thiere, &#x017F;odenn zum ro&#x0364;theren Blut und<lb/>
endlich zur vollkommenern Wa&#x0364;rme organi&#x017F;cher We&#x017F;en. Je<lb/>
mehr die&#x017F;e wa&#x0364;ch&#x017F;t, de&#x017F;to mehr &#x017F;ehen wir auch die innere Or-<lb/>
gani&#x017F;ation &#x017F;ich ab&#x017F;etzen, &#x017F;ich vervielfa&#x0364;ltigen und den Kreis-<lb/>
lauf vollkommener werden, durch de&#x017F;&#x017F;en Bewegung jene in-<lb/>
nere Wa&#x0364;rme wahr&#x017F;cheinlich allein ent&#x017F;tehen konnte. Nur<lb/>
Ein Principium des Lebens &#x017F;cheint in der Natur zu herr-<lb/>
&#x017F;chen: dies i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">a&#x0364;theri&#x017F;che</hi> oder <hi rendition="#fr">elektri&#x017F;che Strom</hi>, der<lb/>
in den Ro&#x0364;hren der Pflanze, in den Adern und Muskeln des<lb/>
Thiers, endlich gar im Nervengeba&#x0364;ude immer feiner und fei-<lb/>
ner verarbeitet wird und zuletzt alle die wunderbaren Triebe<lb/>
und Seelenkra&#x0364;fte anfacht, u&#x0364;ber deren Wirkung wir bei Thie-<lb/>
ren und Men&#x017F;chen &#x017F;taunen. Das Wachsthum der Pflan-<lb/>
zen, ob ihr Lebens&#x017F;aft gleich viel organi&#x017F;cher und feiner i&#x017F;t,<lb/>
als die elektri&#x017F;che Kraft, die &#x017F;ich in der todten Natur a&#x0364;ußert,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O</fw><fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0127] rerer innern Theile, zu dem ſich keine Pflanze erhebet. Auch in Jnſekten und Wuͤrmern ſieht man ſchon Adern und andre Abſondrungswerkzeuge, zum Theil ſelbſt Muskeln und Nerven, die bei den Pflanzen noch durch Roͤhren und bei den Pflanzenthieren durch ein Gebaͤude, das jenen aͤhnlich iſt, erſetzt wurden. Jn dem vollkommenern Geſchoͤpf ward al- ſo eine feinere Ausarbeitung des Safts, von dem es le- bet, mithin auch der Waͤrme, durch die es lebt, befoͤrdert; und ſo ſproßet der Baum des Lebens vom pflanzenartigen zum weiſſen Saft der Thiere, ſodenn zum roͤtheren Blut und endlich zur vollkommenern Waͤrme organiſcher Weſen. Je mehr dieſe waͤchſt, deſto mehr ſehen wir auch die innere Or- ganiſation ſich abſetzen, ſich vervielfaͤltigen und den Kreis- lauf vollkommener werden, durch deſſen Bewegung jene in- nere Waͤrme wahrſcheinlich allein entſtehen konnte. Nur Ein Principium des Lebens ſcheint in der Natur zu herr- ſchen: dies iſt der aͤtheriſche oder elektriſche Strom, der in den Roͤhren der Pflanze, in den Adern und Muskeln des Thiers, endlich gar im Nervengebaͤude immer feiner und fei- ner verarbeitet wird und zuletzt alle die wunderbaren Triebe und Seelenkraͤfte anfacht, uͤber deren Wirkung wir bei Thie- ren und Menſchen ſtaunen. Das Wachsthum der Pflan- zen, ob ihr Lebensſaft gleich viel organiſcher und feiner iſt, als die elektriſche Kraft, die ſich in der todten Natur aͤußert, wird O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/127
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/127>, abgerufen am 23.11.2024.