Sicherheit desselben, und das -- nur das ist, was ich sagen wollte. Was liessen sich aber auch nur aus dem für grosse, reiche Wahrhei- ten der Erziehung, der Bildung, der Unter- weisung ziehen! Was liessen sich überhaupt aus dieser Proportion oder Disproportion des erkennenden und empfindenden Theils unsrer Seele für psychologische und praktische Anmer- kungen machen! -- Aber Sie müssen auf meine Psychologie über Ossian warten!
Jch bleibe hier in meinem Felde. Da die Gedichte der alten, und wilden Völker so sehr aus unmittelbarer Gegenwart, aus unmittel- barer Begeisterung der Sinne, und der Ein- bildung entstehen, und doch so viel Würfe, so viel Sprünge haben: so hat mich dies längst, aus vielen Wahrnehmungen, auf die Gedan- ken gebracht, die ich Jhnen hier zum freund- schaftlichen Gutachten mittheile. Zuerst, sol- ten also wohl für den sinnlichen Verstand, und die Einbildung, also für die Seele des Volks, die doch nur fast sinnlicher Verstand und Ein- bildung ist, dergleichen lebhafte Sprünge, Würfe, Wendungen, wie Sies nennen wollen, so eine fremde böhmische Sache seyn, als uns die Gelehrten und Kunstrichter beybringen wol- len? Sie wissen die Einwürfe, die man hier aus Klopstocks Kirchenliedern, wie es immer gelautet hat, für gute Sache des Christlichen
Volks
Sicherheit deſſelben, und das — nur das iſt, was ich ſagen wollte. Was lieſſen ſich aber auch nur aus dem fuͤr groſſe, reiche Wahrhei- ten der Erziehung, der Bildung, der Unter- weiſung ziehen! Was lieſſen ſich uͤberhaupt aus dieſer Proportion oder Disproportion des erkennenden und empfindenden Theils unſrer Seele fuͤr pſychologiſche und praktiſche Anmer- kungen machen! — Aber Sie muͤſſen auf meine Pſychologie uͤber Oſſian warten!
Jch bleibe hier in meinem Felde. Da die Gedichte der alten, und wilden Voͤlker ſo ſehr aus unmittelbarer Gegenwart, aus unmittel- barer Begeiſterung der Sinne, und der Ein- bildung entſtehen, und doch ſo viel Wuͤrfe, ſo viel Spruͤnge haben: ſo hat mich dies laͤngſt, aus vielen Wahrnehmungen, auf die Gedan- ken gebracht, die ich Jhnen hier zum freund- ſchaftlichen Gutachten mittheile. Zuerſt, ſol- ten alſo wohl fuͤr den ſinnlichen Verſtand, und die Einbildung, alſo fuͤr die Seele des Volks, die doch nur faſt ſinnlicher Verſtand und Ein- bildung iſt, dergleichen lebhafte Spruͤnge, Wuͤrfe, Wendungen, wie Sies nennen wollen, ſo eine fremde boͤhmiſche Sache ſeyn, als uns die Gelehrten und Kunſtrichter beybringen wol- len? Sie wiſſen die Einwuͤrfe, die man hier aus Klopſtocks Kirchenliedern, wie es immer gelautet hat, fuͤr gute Sache des Chriſtlichen
Volks
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Sicherheit deſſelben, und das — nur das iſt,
was ich ſagen wollte. Was lieſſen ſich aber
auch nur aus dem fuͤr groſſe, reiche Wahrhei-
ten der Erziehung, der Bildung, der Unter-
weiſung ziehen! Was lieſſen ſich uͤberhaupt
aus dieſer Proportion oder Disproportion des
erkennenden und empfindenden Theils unſrer
Seele fuͤr pſychologiſche und praktiſche Anmer-
kungen machen! — Aber Sie muͤſſen auf meine
Pſychologie uͤber Oſſian warten!
Jch bleibe hier in meinem Felde. Da die
Gedichte der alten, und wilden Voͤlker ſo ſehr
aus unmittelbarer Gegenwart, aus unmittel-
barer Begeiſterung der Sinne, und der Ein-
bildung entſtehen, und doch ſo viel Wuͤrfe, ſo
viel Spruͤnge haben: ſo hat mich dies laͤngſt,
aus vielen Wahrnehmungen, auf die Gedan-
ken gebracht, die ich Jhnen hier zum freund-
ſchaftlichen Gutachten mittheile. Zuerſt, ſol-
ten alſo wohl fuͤr den ſinnlichen Verſtand, und
die Einbildung, alſo fuͤr die Seele des Volks,
die doch nur faſt ſinnlicher Verſtand und Ein-
bildung iſt, dergleichen lebhafte Spruͤnge,
Wuͤrfe, Wendungen, wie Sies nennen wollen,
ſo eine fremde boͤhmiſche Sache ſeyn, als uns
die Gelehrten und Kunſtrichter beybringen wol-
len? Sie wiſſen die Einwuͤrfe, die man hier
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/50>, abgerufen am 16.07.2024.
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