und nun sehen Sie, wie es der Uebersetzer miß- braucht hat. Die vortrefliche, so vielsaitige Goldharfe, die unter der Hand des dänischen Skalden allen Zauber- und Macht-und Leyer- und Wunderton hat annehmen können, so wie gegenseitig den Ton der Liebe, der Freund- schaft, der Entzückung, ist in den Händen des Ueber setzers eine hölzerne Trommel mit zween Schlägen geworden. -- Schade nur, daß eben dadurch die schönen Lieder von Selma und das süsse Carrikthura verunstaltet sind. Jm ersten Bande hat der Uebersetzer gar eine Cantate in Reimen nach aller Form erfunden, und da ihm nun kaum zwey Reime gelingen, so sinkt dies ganze Stück fast unter die Kritik hinab.
Wie ganz anders hat Klopstock auch hier z. E. in der Sprache gearbeitet! Der sonst so ausfliessende ausströmende Dichter, wie kurz! wie stark und abgebrochen! wie altdeutsch hat er sich in seiner Hermanns-Schlacht zu seyn bestrebt! Welche Prose gleicht da wohl seinem Hexameter! welch lyrisches Sylbenmaaß seinen sonst so strömenden griechischen Sylbenmaassen! Wenn in seinem Bardit wenig Drama ist: so ist wenigstens das Lyrische im Bardit, und im Lyrischen mindstens der Wortbau so Dra- matisch, so Deutsch! -- Lesen Sie z. E. das edle, simple Stückchen:
Auf Moos', am luftigen Bach etc.
und
und nun ſehen Sie, wie es der Ueberſetzer miß- braucht hat. Die vortrefliche, ſo vielſaitige Goldharfe, die unter der Hand des daͤniſchen Skalden allen Zauber- und Macht-und Leyer- und Wunderton hat annehmen koͤnnen, ſo wie gegenſeitig den Ton der Liebe, der Freund- ſchaft, der Entzuͤckung, iſt in den Haͤnden des Ueber ſetzers eine hoͤlzerne Trommel mit zween Schlaͤgen geworden. — Schade nur, daß eben dadurch die ſchoͤnen Lieder von Selma und das ſuͤſſe Carrikthura verunſtaltet ſind. Jm erſten Bande hat der Ueberſetzer gar eine Cantate in Reimen nach aller Form erfunden, und da ihm nun kaum zwey Reime gelingen, ſo ſinkt dies ganze Stuͤck faſt unter die Kritik hinab.
Wie ganz anders hat Klopſtock auch hier z. E. in der Sprache gearbeitet! Der ſonſt ſo ausflieſſende ausſtroͤmende Dichter, wie kurz! wie ſtark und abgebrochen! wie altdeutſch hat er ſich in ſeiner Hermanns-Schlacht zu ſeyn beſtrebt! Welche Proſe gleicht da wohl ſeinem Hexameter! welch lyriſches Sylbenmaaß ſeinen ſonſt ſo ſtroͤmenden griechiſchen Sylbenmaaſſen! Wenn in ſeinem Bardit wenig Drama iſt: ſo iſt wenigſtens das Lyriſche im Bardit, und im Lyriſchen mindſtens der Wortbau ſo Dra- matiſch, ſo Deutſch! — Leſen Sie z. E. das edle, ſimple Stuͤckchen:
Auf Mooſ’, am luftigen Bach ꝛc.
und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0033"n="29"/>
und nun ſehen Sie, wie es der Ueberſetzer miß-<lb/>
braucht hat. Die vortrefliche, ſo vielſaitige<lb/>
Goldharfe, die unter der Hand des daͤniſchen<lb/><hirendition="#fr">Skalden</hi> allen Zauber- und Macht-und Leyer-<lb/>
und Wunderton hat annehmen koͤnnen, ſo<lb/>
wie gegenſeitig den Ton der Liebe, der Freund-<lb/>ſchaft, der Entzuͤckung, iſt in den Haͤnden des<lb/>
Ueber ſetzers eine hoͤlzerne Trommel mit zween<lb/>
Schlaͤgen geworden. — Schade nur, daß<lb/>
eben dadurch die ſchoͤnen Lieder von <hirendition="#fr">Selma</hi><lb/>
und das ſuͤſſe <hirendition="#fr">Carrikthura</hi> verunſtaltet ſind.<lb/>
Jm erſten Bande hat der Ueberſetzer gar eine<lb/>
Cantate in Reimen nach aller Form <hirendition="#fr">erfunden,</hi><lb/>
und da ihm nun kaum zwey Reime gelingen, ſo<lb/>ſinkt dies ganze Stuͤck faſt unter die Kritik hinab.</p><lb/><p>Wie ganz anders hat <hirendition="#fr">Klopſtock</hi> auch hier<lb/>
z. E. in der Sprache gearbeitet! Der ſonſt ſo<lb/>
ausflieſſende ausſtroͤmende Dichter, wie kurz!<lb/>
wie ſtark und abgebrochen! wie altdeutſch hat<lb/>
er ſich in ſeiner <hirendition="#fr">Hermanns-Schlacht</hi> zu ſeyn<lb/>
beſtrebt! Welche Proſe gleicht da wohl ſeinem<lb/>
Hexameter! welch lyriſches Sylbenmaaß ſeinen<lb/>ſonſt ſo ſtroͤmenden griechiſchen Sylbenmaaſſen!<lb/>
Wenn in ſeinem Bardit wenig Drama iſt:<lb/>ſo iſt wenigſtens das Lyriſche im Bardit, und<lb/>
im Lyriſchen mindſtens der Wortbau ſo Dra-<lb/>
matiſch, ſo Deutſch! — Leſen Sie z. E. das<lb/>
edle, ſimple Stuͤckchen:</p><lb/><cit><quote>Auf Mooſ’, am luftigen Bach ꝛc.</quote><bibl/></cit><lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[29/0033]
und nun ſehen Sie, wie es der Ueberſetzer miß-
braucht hat. Die vortrefliche, ſo vielſaitige
Goldharfe, die unter der Hand des daͤniſchen
Skalden allen Zauber- und Macht-und Leyer-
und Wunderton hat annehmen koͤnnen, ſo
wie gegenſeitig den Ton der Liebe, der Freund-
ſchaft, der Entzuͤckung, iſt in den Haͤnden des
Ueber ſetzers eine hoͤlzerne Trommel mit zween
Schlaͤgen geworden. — Schade nur, daß
eben dadurch die ſchoͤnen Lieder von Selma
und das ſuͤſſe Carrikthura verunſtaltet ſind.
Jm erſten Bande hat der Ueberſetzer gar eine
Cantate in Reimen nach aller Form erfunden,
und da ihm nun kaum zwey Reime gelingen, ſo
ſinkt dies ganze Stuͤck faſt unter die Kritik hinab.
Wie ganz anders hat Klopſtock auch hier
z. E. in der Sprache gearbeitet! Der ſonſt ſo
ausflieſſende ausſtroͤmende Dichter, wie kurz!
wie ſtark und abgebrochen! wie altdeutſch hat
er ſich in ſeiner Hermanns-Schlacht zu ſeyn
beſtrebt! Welche Proſe gleicht da wohl ſeinem
Hexameter! welch lyriſches Sylbenmaaß ſeinen
ſonſt ſo ſtroͤmenden griechiſchen Sylbenmaaſſen!
Wenn in ſeinem Bardit wenig Drama iſt:
ſo iſt wenigſtens das Lyriſche im Bardit, und
im Lyriſchen mindſtens der Wortbau ſo Dra-
matiſch, ſo Deutſch! — Leſen Sie z. E. das
edle, ſimple Stuͤckchen:
Auf Mooſ’, am luftigen Bach ꝛc.
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/33>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.