Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.dichts, auf dem seine Oden nur Blumen sind, Zur Probe davon sehen Sie einmal den drit- und
dichts, auf dem ſeine Oden nur Blumen ſind, Zur Probe davon ſehen Sie einmal den drit- und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="28"/> dichts, auf dem ſeine Oden nur Blumen ſind,<lb/> iſt das Hexameter? Und denn auch, wie?| wo-<lb/> durch ſind ſie ſchoͤn? Durch ſchoͤne Roͤmiſche,<lb/> Griechiſche Sylbenmaaſſe, und durch ſo ſchoͤne<lb/> Anordnung in denſelben, daß ich ja eben des-<lb/> wegen behauptet, ſie ſeyn die ſchoͤnen Barden-<lb/> lieder Oſſians nicht mehr! Was macht Mac-<lb/> pherſon faſt bey jedem ſolcher Stuͤcke fuͤr Aus-<lb/> ruͤfe uͤber das Wilde, oder Sanfte, oder Feier-<lb/> liche oder Kriegeriſche ihres Rhythmus, ihrer<lb/> Melodien, ihrer Sylbenmaaſſe, das Seele<lb/> des Geſangs ſey — nun muß ich aber beken-<lb/> nen, daß bey den meiſten Faͤllen ich weder Wahl,<lb/> noch Veranlaſſung eben zu ſolchen Roͤmiſchen<lb/> und Griechiſchen Sylbenmaaſſe; ja wenn ich<lb/> von den Geſaͤngen der Wilden uͤberhaupt Ton<lb/> habe, nirgends Veranlaſſung zu <hi rendition="#fr">Einem</hi> ſol-<lb/> cher Roͤmiſchen und Griechiſchen Sylbenmaaſſe<lb/> ſehe. Jch mag mit Herr D. nicht wetteifern;<lb/> er hat ſo viel poetiſchen Styl und Sprache in<lb/> ſeiner Gewalt; aber ich wolte Ein Stuͤck bey<lb/> ihm ſehen, das nicht in einem andern Sylben-<lb/> maaſſe eben ſo gut, das iſt, eben ſo geziert,<lb/> erſcheinen ſollte, und maches iſt, ohne Um-<lb/> ſchweif, <hi rendition="#fr">uͤbel</hi> gewaͤhlt.</p><lb/> <p>Zur Probe davon ſehen Sie einmal den drit-<lb/> ten Band durch. Da hat ihm, ich weiß nicht,<lb/> welcher Kunſtrichter, den Rath gegeben, mehr<lb/> des Skaldiſchen Sylbenmaaſſes zu gebrauchen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0032]
dichts, auf dem ſeine Oden nur Blumen ſind,
iſt das Hexameter? Und denn auch, wie?| wo-
durch ſind ſie ſchoͤn? Durch ſchoͤne Roͤmiſche,
Griechiſche Sylbenmaaſſe, und durch ſo ſchoͤne
Anordnung in denſelben, daß ich ja eben des-
wegen behauptet, ſie ſeyn die ſchoͤnen Barden-
lieder Oſſians nicht mehr! Was macht Mac-
pherſon faſt bey jedem ſolcher Stuͤcke fuͤr Aus-
ruͤfe uͤber das Wilde, oder Sanfte, oder Feier-
liche oder Kriegeriſche ihres Rhythmus, ihrer
Melodien, ihrer Sylbenmaaſſe, das Seele
des Geſangs ſey — nun muß ich aber beken-
nen, daß bey den meiſten Faͤllen ich weder Wahl,
noch Veranlaſſung eben zu ſolchen Roͤmiſchen
und Griechiſchen Sylbenmaaſſe; ja wenn ich
von den Geſaͤngen der Wilden uͤberhaupt Ton
habe, nirgends Veranlaſſung zu Einem ſol-
cher Roͤmiſchen und Griechiſchen Sylbenmaaſſe
ſehe. Jch mag mit Herr D. nicht wetteifern;
er hat ſo viel poetiſchen Styl und Sprache in
ſeiner Gewalt; aber ich wolte Ein Stuͤck bey
ihm ſehen, das nicht in einem andern Sylben-
maaſſe eben ſo gut, das iſt, eben ſo geziert,
erſcheinen ſollte, und maches iſt, ohne Um-
ſchweif, uͤbel gewaͤhlt.
Zur Probe davon ſehen Sie einmal den drit-
ten Band durch. Da hat ihm, ich weiß nicht,
welcher Kunſtrichter, den Rath gegeben, mehr
des Skaldiſchen Sylbenmaaſſes zu gebrauchen,
und
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