Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

stehenden Statthalter zum Controlleur und
Oberaufseher aller Reichsbeamten erhalten;
oder ein neues Reichsunterhaus hätte den
Kronbedienten die Wage halten müssen, wenn
man den vierten Fall, nemlich die Territorial-
hoheit nicht hätte zulassen wollen. Die erste
Wendung würde uns reisende und plündernde
Bassen zugezogen haben, oder alle Kaiser hät-
ten das Genie von Carln dem Grossen zu ei-
nem beständigen Erbtheil haben müssen. Jn
der andern würden wir mit der Zeit, wie die
Franzosen, das Opfer einer ungeheuren Men-
ge von Reichs-Generalpächtern geworden
seyn. Schwerlich würden auch unsre Schul-
tern die dritte ertragen haben, oder die ver-
bundnen Handelsstädte in Ober- und Nieder-
deutschland hätten uns zugleich die Handlung
durch die ganze Welt, so wie sie solche hat-
ten, behaupten und das ganze Reichs-Krie-
ges- und Steuerwesen unter ihrer Bewilli-
gung haben müssen. Und so ist die letztere,
worin jeder Landesfürst, die ihm anvertraue-
ten Reichsgemeinen als die seinigen betrach-
tet, sein Glück in dem ihrigen findet und we-
nigstens seinem Hause zu Gefallen nicht alles
auf einmal verzehrt, allenfalls aber an dem al-
lerhöchsten Reichsoberhaupte noch einigen Wi-
derstand hat, gewiß die beste gewesen, nachdem
einmal grosse Reiche entstehen, und die Landei-

gen-

ſtehenden Statthalter zum Controlleur und
Oberaufſeher aller Reichsbeamten erhalten;
oder ein neues Reichsunterhaus haͤtte den
Kronbedienten die Wage halten muͤſſen, wenn
man den vierten Fall, nemlich die Territorial-
hoheit nicht haͤtte zulaſſen wollen. Die erſte
Wendung wuͤrde uns reiſende und pluͤndernde
Baſſen zugezogen haben, oder alle Kaiſer haͤt-
ten das Genie von Carln dem Groſſen zu ei-
nem beſtaͤndigen Erbtheil haben muͤſſen. Jn
der andern wuͤrden wir mit der Zeit, wie die
Franzoſen, das Opfer einer ungeheuren Men-
ge von Reichs-Generalpaͤchtern geworden
ſeyn. Schwerlich wuͤrden auch unſre Schul-
tern die dritte ertragen haben, oder die ver-
bundnen Handelsſtaͤdte in Ober- und Nieder-
deutſchland haͤtten uns zugleich die Handlung
durch die ganze Welt, ſo wie ſie ſolche hat-
ten, behaupten und das ganze Reichs-Krie-
ges- und Steuerweſen unter ihrer Bewilli-
gung haben muͤſſen. Und ſo iſt die letztere,
worin jeder Landesfuͤrſt, die ihm anvertraue-
ten Reichsgemeinen als die ſeinigen betrach-
tet, ſein Gluͤck in dem ihrigen findet und we-
nigſtens ſeinem Hauſe zu Gefallen nicht alles
auf einmal verzehrt, allenfalls aber an dem al-
lerhoͤchſten Reichsoberhaupte noch einigen Wi-
derſtand hat, gewiß die beſte geweſen, nachdem
einmal groſſe Reiche entſtehen, und die Landei-

gen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0180" n="176"/>
&#x017F;tehenden Statthalter zum Controlleur und<lb/>
Oberauf&#x017F;eher aller Reichsbeamten erhalten;<lb/>
oder ein neues Reichsunterhaus ha&#x0364;tte den<lb/>
Kronbedienten die Wage halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn<lb/>
man den vierten Fall, nemlich die Territorial-<lb/>
hoheit nicht ha&#x0364;tte zula&#x017F;&#x017F;en wollen. Die er&#x017F;te<lb/>
Wendung wu&#x0364;rde uns rei&#x017F;ende und plu&#x0364;ndernde<lb/>
Ba&#x017F;&#x017F;en zugezogen haben, oder alle Kai&#x017F;er ha&#x0364;t-<lb/>
ten das Genie von Carln dem Gro&#x017F;&#x017F;en zu ei-<lb/>
nem be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Erbtheil haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Jn<lb/>
der andern wu&#x0364;rden wir mit der Zeit, wie die<lb/>
Franzo&#x017F;en, das Opfer einer ungeheuren Men-<lb/>
ge von Reichs-Generalpa&#x0364;chtern geworden<lb/>
&#x017F;eyn. Schwerlich wu&#x0364;rden auch un&#x017F;re Schul-<lb/>
tern die dritte ertragen haben, oder die ver-<lb/>
bundnen Handels&#x017F;ta&#x0364;dte in Ober- und Nieder-<lb/>
deut&#x017F;chland ha&#x0364;tten uns zugleich die Handlung<lb/>
durch die ganze Welt, &#x017F;o wie &#x017F;ie &#x017F;olche hat-<lb/>
ten, behaupten und das ganze Reichs-Krie-<lb/>
ges- und Steuerwe&#x017F;en unter ihrer Bewilli-<lb/>
gung haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Und &#x017F;o i&#x017F;t die letztere,<lb/>
worin jeder Landesfu&#x0364;r&#x017F;t, die ihm anvertraue-<lb/>
ten Reichsgemeinen als die &#x017F;einigen betrach-<lb/>
tet, &#x017F;ein Glu&#x0364;ck in dem ihrigen findet und we-<lb/>
nig&#x017F;tens &#x017F;einem Hau&#x017F;e zu Gefallen nicht alles<lb/>
auf einmal verzehrt, allenfalls aber an dem al-<lb/>
lerho&#x0364;ch&#x017F;ten Reichsoberhaupte noch einigen Wi-<lb/>
der&#x017F;tand hat, gewiß die be&#x017F;te gewe&#x017F;en, nachdem<lb/>
einmal gro&#x017F;&#x017F;e Reiche ent&#x017F;tehen, und die Landei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0180] ſtehenden Statthalter zum Controlleur und Oberaufſeher aller Reichsbeamten erhalten; oder ein neues Reichsunterhaus haͤtte den Kronbedienten die Wage halten muͤſſen, wenn man den vierten Fall, nemlich die Territorial- hoheit nicht haͤtte zulaſſen wollen. Die erſte Wendung wuͤrde uns reiſende und pluͤndernde Baſſen zugezogen haben, oder alle Kaiſer haͤt- ten das Genie von Carln dem Groſſen zu ei- nem beſtaͤndigen Erbtheil haben muͤſſen. Jn der andern wuͤrden wir mit der Zeit, wie die Franzoſen, das Opfer einer ungeheuren Men- ge von Reichs-Generalpaͤchtern geworden ſeyn. Schwerlich wuͤrden auch unſre Schul- tern die dritte ertragen haben, oder die ver- bundnen Handelsſtaͤdte in Ober- und Nieder- deutſchland haͤtten uns zugleich die Handlung durch die ganze Welt, ſo wie ſie ſolche hat- ten, behaupten und das ganze Reichs-Krie- ges- und Steuerweſen unter ihrer Bewilli- gung haben muͤſſen. Und ſo iſt die letztere, worin jeder Landesfuͤrſt, die ihm anvertraue- ten Reichsgemeinen als die ſeinigen betrach- tet, ſein Gluͤck in dem ihrigen findet und we- nigſtens ſeinem Hauſe zu Gefallen nicht alles auf einmal verzehrt, allenfalls aber an dem al- lerhoͤchſten Reichsoberhaupte noch einigen Wi- derſtand hat, gewiß die beſte geweſen, nachdem einmal groſſe Reiche entſtehen, und die Landei- gen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/180
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/180>, abgerufen am 09.11.2024.