Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.lange behält dasselbe! Jn der Jugend, mit Denken Sie nicht, daß ich übertreibe. Un- maasse
lange behaͤlt daſſelbe! Jn der Jugend, mit Denken Sie nicht, daß ich uͤbertreibe. Un- maaſſe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="14"/> lange behaͤlt daſſelbe! Jn der Jugend, mit<lb/> dem Stammlen der Sprache gefaßt, wie leb-<lb/> haft kommt es zuruͤck, und ſo ſchnell mit allen<lb/> Erſcheinungen der lebendigen Welt verbun-<lb/> den, wie reich und maͤchtig kommt es wie er.<lb/> Aus Muſik, Geſang und Rede koͤnnt’ ich Jh-<lb/> nen eine Menge ſonderbarer Phaͤnomene an-<lb/> fuͤhren, wenn ich einmal pſychologiſiren wollte!</p><lb/> <p>Denken Sie nicht, daß ich uͤbertreibe. Un-<lb/> ter 136 Rhythmusarten der Skalden, habe ich<lb/> nur Einen, den Saugbaren, in <hi rendition="#fr">Worm</hi> naͤher<lb/> ſtudirt (denn ihre eigentliche Proſodie, der zwei-<lb/> te Theil der <hi rendition="#fr">Edda</hi> iſt meines Wiſſens noch<lb/> nicht erſchienen!) und was denken Sie, wenn<lb/> in dieſem Rythmus von 8 Reihen nicht blos<lb/> 2 Diſticha, ſondern in jedem Diſtichon 3 An-<lb/> fangaͤhnliche Buchſtaben, 3 conſone Woͤrter<lb/> und Schaͤlle, und dieſe in ihren Regionen wie-<lb/> der ſo metriſch beſtimmt ſind, daß die ganze<lb/> Strophe gleichſam eine proſodiſche Runentex-<lb/> tur geworden iſt — und alles waren Schaͤlle,<lb/> Laute eines lebenden Geſanges, Wecker des<lb/> Takes und der Erinnerung, alles klopfte, und<lb/> ſtieß und ſchallte zuſammen! — Machen Sie<lb/> nun die Probe, und ſtudiren <hi rendition="#fr">Reyner Lod-<lb/> brogs</hi> Sterbegeſang in den Runen des<lb/><hi rendition="#fr">Worms,</hi> und leſen denn die feine, zierliche<lb/> Ueberſetzung, die wir davon im Dentſchen, in<lb/> ganz anderm Ton und ganz anderm Sylben-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">maaſſe</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0018]
lange behaͤlt daſſelbe! Jn der Jugend, mit
dem Stammlen der Sprache gefaßt, wie leb-
haft kommt es zuruͤck, und ſo ſchnell mit allen
Erſcheinungen der lebendigen Welt verbun-
den, wie reich und maͤchtig kommt es wie er.
Aus Muſik, Geſang und Rede koͤnnt’ ich Jh-
nen eine Menge ſonderbarer Phaͤnomene an-
fuͤhren, wenn ich einmal pſychologiſiren wollte!
Denken Sie nicht, daß ich uͤbertreibe. Un-
ter 136 Rhythmusarten der Skalden, habe ich
nur Einen, den Saugbaren, in Worm naͤher
ſtudirt (denn ihre eigentliche Proſodie, der zwei-
te Theil der Edda iſt meines Wiſſens noch
nicht erſchienen!) und was denken Sie, wenn
in dieſem Rythmus von 8 Reihen nicht blos
2 Diſticha, ſondern in jedem Diſtichon 3 An-
fangaͤhnliche Buchſtaben, 3 conſone Woͤrter
und Schaͤlle, und dieſe in ihren Regionen wie-
der ſo metriſch beſtimmt ſind, daß die ganze
Strophe gleichſam eine proſodiſche Runentex-
tur geworden iſt — und alles waren Schaͤlle,
Laute eines lebenden Geſanges, Wecker des
Takes und der Erinnerung, alles klopfte, und
ſtieß und ſchallte zuſammen! — Machen Sie
nun die Probe, und ſtudiren Reyner Lod-
brogs Sterbegeſang in den Runen des
Worms, und leſen denn die feine, zierliche
Ueberſetzung, die wir davon im Dentſchen, in
ganz anderm Ton und ganz anderm Sylben-
maaſſe
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