Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Leut oder Knechte einem Herrn zu folgen
verbunden; und der gemeine Vorsteher ein
Erwählter Richter, welcher bloß die Urtheile
bestätigte, so ihm von seinen Rechtsgenossen
zugewiesen wurden. Diese güldne Zeit dau-
rete noch guten Theils, wiewohl mit einer
auf den Hauptzweck schärfer anziehenden Ein-
richtung unter Carln dem Grossen. Carl
war aber auch der einzige Kopf zu diesem an-
tiken Rumpfe.

Die zweyte Periode ging allmählig unter
Ludewig dem Frommen und Schwachen an.
Jhm, und den unter ihm entstandenen Par-
theyen war zu wenig mit Bannalisten, die
bloß ihren Heerd und ihr Vaterland bey eig-
ner Kost und ohne Sold vertheidigen wollten,
gedienet. Er opferte aus Einfalt, Andacht,
Noth und falscher Politik seine Gemeinen den
geistlichen Bedienten und Reichsvögten auf.
Der Bischoff, welcher vorhin nur zwey Heer-
männer ad latus behalten durfte, und der
Graf oder Oberste, der ihrer vier zum Schutze
seines Amts und seiner Familie beurlauben
konnte, verfuhren mit dem Reichsgute nach
Gefallen, besetzten die erledigten mansos
mit Leuten und Knechten, und nöthigten die
Wehren, sich auf gleiche Bedingungen zu er-
geben. Henrich der Vogler suchte zwar bey
der damaligen allgemeinen Noth das Reichs-

eigen-
L 4

dem Leut oder Knechte einem Herrn zu folgen
verbunden; und der gemeine Vorſteher ein
Erwaͤhlter Richter, welcher bloß die Urtheile
beſtaͤtigte, ſo ihm von ſeinen Rechtsgenoſſen
zugewieſen wurden. Dieſe guͤldne Zeit dau-
rete noch guten Theils, wiewohl mit einer
auf den Hauptzweck ſchaͤrfer anziehenden Ein-
richtung unter Carln dem Groſſen. Carl
war aber auch der einzige Kopf zu dieſem an-
tiken Rumpfe.

Die zweyte Periode ging allmaͤhlig unter
Ludewig dem Frommen und Schwachen an.
Jhm, und den unter ihm entſtandenen Par-
theyen war zu wenig mit Bannaliſten, die
bloß ihren Heerd und ihr Vaterland bey eig-
ner Koſt und ohne Sold vertheidigen wollten,
gedienet. Er opferte aus Einfalt, Andacht,
Noth und falſcher Politik ſeine Gemeinen den
geiſtlichen Bedienten und Reichsvoͤgten auf.
Der Biſchoff, welcher vorhin nur zwey Heer-
maͤnner ad latus behalten durfte, und der
Graf oder Oberſte, der ihrer vier zum Schutze
ſeines Amts und ſeiner Familie beurlauben
konnte, verfuhren mit dem Reichsgute nach
Gefallen, beſetzten die erledigten manſos
mit Leuten und Knechten, und noͤthigten die
Wehren, ſich auf gleiche Bedingungen zu er-
geben. Henrich der Vogler ſuchte zwar bey
der damaligen allgemeinen Noth das Reichs-

eigen-
L 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0171" n="167"/>
dem Leut oder Knechte einem Herrn zu folgen<lb/>
verbunden; und der gemeine Vor&#x017F;teher ein<lb/>
Erwa&#x0364;hlter Richter, welcher bloß die Urtheile<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tigte, &#x017F;o ihm von &#x017F;einen Rechtsgeno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zugewie&#x017F;en wurden. Die&#x017F;e gu&#x0364;ldne Zeit dau-<lb/>
rete noch guten Theils, wiewohl mit einer<lb/>
auf den Hauptzweck &#x017F;cha&#x0364;rfer anziehenden Ein-<lb/>
richtung unter Carln dem Gro&#x017F;&#x017F;en. Carl<lb/>
war aber auch der einzige Kopf zu die&#x017F;em an-<lb/>
tiken Rumpfe.</p><lb/>
          <p>Die zweyte Periode ging allma&#x0364;hlig unter<lb/><hi rendition="#fr">Ludewig</hi> dem Frommen und Schwachen an.<lb/>
Jhm, und den unter ihm ent&#x017F;tandenen Par-<lb/>
theyen war zu wenig mit Bannali&#x017F;ten, die<lb/>
bloß ihren Heerd und ihr Vaterland bey eig-<lb/>
ner Ko&#x017F;t und ohne Sold vertheidigen wollten,<lb/>
gedienet. Er opferte aus Einfalt, Andacht,<lb/>
Noth und fal&#x017F;cher Politik &#x017F;eine Gemeinen den<lb/>
gei&#x017F;tlichen Bedienten und Reichsvo&#x0364;gten auf.<lb/>
Der Bi&#x017F;choff, welcher vorhin nur zwey Heer-<lb/>
ma&#x0364;nner <hi rendition="#aq">ad latus</hi> behalten durfte, und der<lb/>
Graf oder Ober&#x017F;te, der ihrer vier zum Schutze<lb/>
&#x017F;eines Amts und &#x017F;einer Familie beurlauben<lb/>
konnte, verfuhren mit dem Reichsgute nach<lb/>
Gefallen, be&#x017F;etzten die erledigten <hi rendition="#aq">man&#x017F;os</hi><lb/>
mit Leuten und Knechten, und no&#x0364;thigten die<lb/>
Wehren, &#x017F;ich auf gleiche Bedingungen zu er-<lb/>
geben. <hi rendition="#fr">Henrich</hi> der Vogler &#x017F;uchte zwar bey<lb/>
der damaligen allgemeinen Noth das Reichs-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 4</fw><fw place="bottom" type="catch">eigen-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0171] dem Leut oder Knechte einem Herrn zu folgen verbunden; und der gemeine Vorſteher ein Erwaͤhlter Richter, welcher bloß die Urtheile beſtaͤtigte, ſo ihm von ſeinen Rechtsgenoſſen zugewieſen wurden. Dieſe guͤldne Zeit dau- rete noch guten Theils, wiewohl mit einer auf den Hauptzweck ſchaͤrfer anziehenden Ein- richtung unter Carln dem Groſſen. Carl war aber auch der einzige Kopf zu dieſem an- tiken Rumpfe. Die zweyte Periode ging allmaͤhlig unter Ludewig dem Frommen und Schwachen an. Jhm, und den unter ihm entſtandenen Par- theyen war zu wenig mit Bannaliſten, die bloß ihren Heerd und ihr Vaterland bey eig- ner Koſt und ohne Sold vertheidigen wollten, gedienet. Er opferte aus Einfalt, Andacht, Noth und falſcher Politik ſeine Gemeinen den geiſtlichen Bedienten und Reichsvoͤgten auf. Der Biſchoff, welcher vorhin nur zwey Heer- maͤnner ad latus behalten durfte, und der Graf oder Oberſte, der ihrer vier zum Schutze ſeines Amts und ſeiner Familie beurlauben konnte, verfuhren mit dem Reichsgute nach Gefallen, beſetzten die erledigten manſos mit Leuten und Knechten, und noͤthigten die Wehren, ſich auf gleiche Bedingungen zu er- geben. Henrich der Vogler ſuchte zwar bey der damaligen allgemeinen Noth das Reichs- eigen- L 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/171
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/171>, abgerufen am 22.12.2024.