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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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können. Belidor fängt in seiner Jngenieur-
wissenschaft Nr. 13. B. 1. diese Lehre damit
an, daß er Mauren annimmt, deren Theile
in sich mit einander verbunden und so unzer-
trennlich sind, daß man zwar die Mauer selbst
durch irgend eine Kraft umstürzen, aber nicht
von einander reissen kann. Von da aus geht
er in seiner Betrachtung zu dem Falle, wor-
auf de la Hire seine Hypothese gründet, fort,
daß sich nemlich die ganze Unterlage um den
äussern Winkel der Base drehe. Jch muß
aber hier bemerken, daß eine zu grosse Last
die Steine zerdrückt und in Stücken sprengt,
wie man an überladenen Kuppeln sieht. Mit
zunehmenden Drucke breiten sich die zerbro-
chenen Steine aus, und die Stücke verviel-
fältigen sich noch auf tausenderley Weise; und
dermaassen kann eine Kuppel bald so, bald so,
leiden. Belidor's und de la Hire's Hypo-
thesen sind dem Widerstande der Gewölbe sehr
günstig, und ihnen zufolge kan man freylich
leicht beweisen, daß einige gothische Kuppeln
so schwache Widerlagen haben, so sehr gegen
die Base eingezogen und besonders im Schlusse
so überladen sind, daß jedes Moment des
horizontalen Drucks, indem es mit seiner
ganzen Last auf den dritten, ihm zur Unterlage
dienenden, Theil des gothischen Bogens wirkt,
grösser ist, als jedes Moment des Widerstands;

und
K 5

koͤnnen. Belidor faͤngt in ſeiner Jngenieur-
wiſſenſchaft Nr. 13. B. 1. dieſe Lehre damit
an, daß er Mauren annimmt, deren Theile
in ſich mit einander verbunden und ſo unzer-
trennlich ſind, daß man zwar die Mauer ſelbſt
durch irgend eine Kraft umſtuͤrzen, aber nicht
von einander reiſſen kann. Von da aus geht
er in ſeiner Betrachtung zu dem Falle, wor-
auf de la Hire ſeine Hypotheſe gruͤndet, fort,
daß ſich nemlich die ganze Unterlage um den
aͤuſſern Winkel der Baſe drehe. Jch muß
aber hier bemerken, daß eine zu groſſe Laſt
die Steine zerdruͤckt und in Stuͤcken ſprengt,
wie man an uͤberladenen Kuppeln ſieht. Mit
zunehmenden Drucke breiten ſich die zerbro-
chenen Steine aus, und die Stuͤcke verviel-
faͤltigen ſich noch auf tauſenderley Weiſe; und
dermaaſſen kann eine Kuppel bald ſo, bald ſo,
leiden. Belidor’s und de la Hire’s Hypo-
theſen ſind dem Widerſtande der Gewoͤlbe ſehr
guͤnſtig, und ihnen zufolge kan man freylich
leicht beweiſen, daß einige gothiſche Kuppeln
ſo ſchwache Widerlagen haben, ſo ſehr gegen
die Baſe eingezogen und beſonders im Schluſſe
ſo uͤberladen ſind, daß jedes Moment des
horizontalen Drucks, indem es mit ſeiner
ganzen Laſt auf den dritten, ihm zur Unterlage
dienenden, Theil des gothiſchen Bogens wirkt,
groͤſſer iſt, als jedes Moment des Widerſtands;

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[153/0157] koͤnnen. Belidor faͤngt in ſeiner Jngenieur- wiſſenſchaft Nr. 13. B. 1. dieſe Lehre damit an, daß er Mauren annimmt, deren Theile in ſich mit einander verbunden und ſo unzer- trennlich ſind, daß man zwar die Mauer ſelbſt durch irgend eine Kraft umſtuͤrzen, aber nicht von einander reiſſen kann. Von da aus geht er in ſeiner Betrachtung zu dem Falle, wor- auf de la Hire ſeine Hypotheſe gruͤndet, fort, daß ſich nemlich die ganze Unterlage um den aͤuſſern Winkel der Baſe drehe. Jch muß aber hier bemerken, daß eine zu groſſe Laſt die Steine zerdruͤckt und in Stuͤcken ſprengt, wie man an uͤberladenen Kuppeln ſieht. Mit zunehmenden Drucke breiten ſich die zerbro- chenen Steine aus, und die Stuͤcke verviel- faͤltigen ſich noch auf tauſenderley Weiſe; und dermaaſſen kann eine Kuppel bald ſo, bald ſo, leiden. Belidor’s und de la Hire’s Hypo- theſen ſind dem Widerſtande der Gewoͤlbe ſehr guͤnſtig, und ihnen zufolge kan man freylich leicht beweiſen, daß einige gothiſche Kuppeln ſo ſchwache Widerlagen haben, ſo ſehr gegen die Baſe eingezogen und beſonders im Schluſſe ſo uͤberladen ſind, daß jedes Moment des horizontalen Drucks, indem es mit ſeiner ganzen Laſt auf den dritten, ihm zur Unterlage dienenden, Theil des gothiſchen Bogens wirkt, groͤſſer iſt, als jedes Moment des Widerſtands; und K 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/157>, abgerufen am 24.11.2024.