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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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digen sich die Kuppeln in einen Knopf
und kleine Zierrathen. Jn neuern Zeiten
hat Bramantes die Kuppel der Peterskirche
mit keinen kleinern beschwert. Einige Kup-
peln von gothischer Banart, z. B. die auf
der Johanniskirche zu Monza, schliessen sich
in der Mitte in antikem Geschmacke. Die
zu Clairvaux, welche achtwinkelicht ist, und
161/2 Elle in der Länge, und 14 in die Breite
hat, trägt einen Thurm von Mauerwerk von
93/4 Ellen Länge, und 9 Ellen Breite. Die-
ser Thurm hat 31 Ellen zur Höhe und 1 Elle
zur Dicke der Mauer, und endigt sich endlich
in eine Pyramide von 18 Ellen Höhe. Es
ist in der That sehr seltsam, daß man auf
einem so schwachen Theil des Gebäudes, als
die Oefnung einer Kuppel im Schlusse ist,
noch einen Thurm aufgeführt hat. Wofern
sich aber auch der Eigensinn des Baumeisters
in dieser Besonderheit nicht entschuldigen
liesse: so muß man ihm doch für die Geschick-
lichkeit, vermöge welcher er mit dem Durch-
messer des Thurms nicht mehr als ein Drit-
theil vom Durchmesser der Kuppel ausge-
füllet hat, wiederum Gerechtigkeit wiederfah-
ren lassen. Denn auf diese Art wird der
waagrechte Druck auf die untern Punkte viel
kleiner, als wenn die ganze Last des Thurms
einen kleinen Theil der Kuppel zur Base hätte:

ein
K 2

digen ſich die Kuppeln in einen Knopf
und kleine Zierrathen. Jn neuern Zeiten
hat Bramantes die Kuppel der Peterskirche
mit keinen kleinern beſchwert. Einige Kup-
peln von gothiſcher Banart, z. B. die auf
der Johanniskirche zu Monza, ſchlieſſen ſich
in der Mitte in antikem Geſchmacke. Die
zu Clairvaux, welche achtwinkelicht iſt, und
16½ Elle in der Laͤnge, und 14 in die Breite
hat, traͤgt einen Thurm von Mauerwerk von
9¾ Ellen Laͤnge, und 9 Ellen Breite. Die-
ſer Thurm hat 31 Ellen zur Hoͤhe und 1 Elle
zur Dicke der Mauer, und endigt ſich endlich
in eine Pyramide von 18 Ellen Hoͤhe. Es
iſt in der That ſehr ſeltſam, daß man auf
einem ſo ſchwachen Theil des Gebaͤudes, als
die Oefnung einer Kuppel im Schluſſe iſt,
noch einen Thurm aufgefuͤhrt hat. Wofern
ſich aber auch der Eigenſinn des Baumeiſters
in dieſer Beſonderheit nicht entſchuldigen
lieſſe: ſo muß man ihm doch fuͤr die Geſchick-
lichkeit, vermoͤge welcher er mit dem Durch-
meſſer des Thurms nicht mehr als ein Drit-
theil vom Durchmeſſer der Kuppel ausge-
fuͤllet hat, wiederum Gerechtigkeit wiederfah-
ren laſſen. Denn auf dieſe Art wird der
waagrechte Druck auf die untern Punkte viel
kleiner, als wenn die ganze Laſt des Thurms
einen kleinen Theil der Kuppel zur Baſe haͤtte:

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[147/0151] digen ſich die Kuppeln in einen Knopf und kleine Zierrathen. Jn neuern Zeiten hat Bramantes die Kuppel der Peterskirche mit keinen kleinern beſchwert. Einige Kup- peln von gothiſcher Banart, z. B. die auf der Johanniskirche zu Monza, ſchlieſſen ſich in der Mitte in antikem Geſchmacke. Die zu Clairvaux, welche achtwinkelicht iſt, und 16½ Elle in der Laͤnge, und 14 in die Breite hat, traͤgt einen Thurm von Mauerwerk von 9¾ Ellen Laͤnge, und 9 Ellen Breite. Die- ſer Thurm hat 31 Ellen zur Hoͤhe und 1 Elle zur Dicke der Mauer, und endigt ſich endlich in eine Pyramide von 18 Ellen Hoͤhe. Es iſt in der That ſehr ſeltſam, daß man auf einem ſo ſchwachen Theil des Gebaͤudes, als die Oefnung einer Kuppel im Schluſſe iſt, noch einen Thurm aufgefuͤhrt hat. Wofern ſich aber auch der Eigenſinn des Baumeiſters in dieſer Beſonderheit nicht entſchuldigen lieſſe: ſo muß man ihm doch fuͤr die Geſchick- lichkeit, vermoͤge welcher er mit dem Durch- meſſer des Thurms nicht mehr als ein Drit- theil vom Durchmeſſer der Kuppel ausge- fuͤllet hat, wiederum Gerechtigkeit wiederfah- ren laſſen. Denn auf dieſe Art wird der waagrechte Druck auf die untern Punkte viel kleiner, als wenn die ganze Laſt des Thurms einen kleinen Theil der Kuppel zur Baſe haͤtte: ein K 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/151>, abgerufen am 24.11.2024.