schnitte des ersten Buchs, daß das gothische Gewölbe im Schlusse stark und fest genung sey, eine grosse Last zu tragen, aber von da an, nach den Seiten zu, reisse es leicht. Blon- del merkt in seinem Cours d'Architecture an, daß der gothische Bogen schwächere Wi- derlagen brauche, weil er gerade herab auf die Säulen drücke, und daß man sich dessel- ben nicht mehr bediene, geschähe aus keiner andern Ursache, als weil er ein häßliches An- sehn habe. Dieser Meynung ist auch Kraft in der Abhandlung über einige Aufgaben aus der Baukunst (in dem ersten Tome der neuen Kommentarien der Akademie zu Petersburg.) Belidor hat eine Anweisung gegeben, den waagrechten Druck der römischen und gothi- schen Gewölbe auf die Unterlagen zu berech- nen. Dabey führt er ausdrücklich an, daß man keine gothische Gewölbe über Magazinen anbringen solle, weil sie die Bomben nicht aushalten könnten. Wir wissen auch wirk- lich aus Beyspielen, daß die römischen Ge- wölbe bey Belagerungen den Bomben wider- standen haben, nicht aber die gothischen.
Jch könnte hier eine ganze geometrische Ab- handlung über die Stärke und den Wider- stand der Gewölbe aus Halbkraisen und Spitzbögen liefern. Jch will mich aber be- gnügen. nur das einfache Resultat davon
anzu-
ſchnitte des erſten Buchs, daß das gothiſche Gewoͤlbe im Schluſſe ſtark und feſt genung ſey, eine groſſe Laſt zu tragen, aber von da an, nach den Seiten zu, reiſſe es leicht. Blon- del merkt in ſeinem Cours d’Architecture an, daß der gothiſche Bogen ſchwaͤchere Wi- derlagen brauche, weil er gerade herab auf die Saͤulen druͤcke, und daß man ſich deſſel- ben nicht mehr bediene, geſchaͤhe aus keiner andern Urſache, als weil er ein haͤßliches An- ſehn habe. Dieſer Meynung iſt auch Kraft in der Abhandlung uͤber einige Aufgaben aus der Baukunſt (in dem erſten Tome der neuen Kommentarien der Akademie zu Petersburg.) Belidor hat eine Anweiſung gegeben, den waagrechten Druck der roͤmiſchen und gothi- ſchen Gewoͤlbe auf die Unterlagen zu berech- nen. Dabey fuͤhrt er ausdruͤcklich an, daß man keine gothiſche Gewoͤlbe uͤber Magazinen anbringen ſolle, weil ſie die Bomben nicht aushalten koͤnnten. Wir wiſſen auch wirk- lich aus Beyſpielen, daß die roͤmiſchen Ge- woͤlbe bey Belagerungen den Bomben wider- ſtanden haben, nicht aber die gothiſchen.
Jch koͤnnte hier eine ganze geometriſche Ab- handlung uͤber die Staͤrke und den Wider- ſtand der Gewoͤlbe aus Halbkraiſen und Spitzboͤgen liefern. Jch will mich aber be- gnuͤgen. nur das einfache Reſultat davon
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ſchnitte des erſten Buchs, daß das gothiſche
Gewoͤlbe im Schluſſe ſtark und feſt genung
ſey, eine groſſe Laſt zu tragen, aber von da
an, nach den Seiten zu, reiſſe es leicht. Blon-
del merkt in ſeinem Cours d’Architecture
an, daß der gothiſche Bogen ſchwaͤchere Wi-
derlagen brauche, weil er gerade herab auf
die Saͤulen druͤcke, und daß man ſich deſſel-
ben nicht mehr bediene, geſchaͤhe aus keiner
andern Urſache, als weil er ein haͤßliches An-
ſehn habe. Dieſer Meynung iſt auch Kraft
in der Abhandlung uͤber einige Aufgaben aus
der Baukunſt (in dem erſten Tome der neuen
Kommentarien der Akademie zu Petersburg.)
Belidor hat eine Anweiſung gegeben, den
waagrechten Druck der roͤmiſchen und gothi-
ſchen Gewoͤlbe auf die Unterlagen zu berech-
nen. Dabey fuͤhrt er ausdruͤcklich an, daß
man keine gothiſche Gewoͤlbe uͤber Magazinen
anbringen ſolle, weil ſie die Bomben nicht
aushalten koͤnnten. Wir wiſſen auch wirk-
lich aus Beyſpielen, daß die roͤmiſchen Ge-
woͤlbe bey Belagerungen den Bomben wider-
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Jch koͤnnte hier eine ganze geometriſche Ab-
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/146>, abgerufen am 16.07.2024.
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