Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.wären's die Flügel der Morgenröthe, empor Heil dir, Knabe! der du mit einem schar- len, J 4
waͤren’s die Fluͤgel der Morgenroͤthe, empor Heil dir, Knabe! der du mit einem ſchar- len, J 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0139" n="135"/> waͤren’s die Fluͤgel der Morgenroͤthe, empor<lb/> gehoben und fortgeruͤckt werden. Seine<lb/> eigne Kraͤfte ſind’s, die ſich im Kindertraum<lb/> entfalten, im Juͤnglingsleben bearbeiten, bis<lb/> er ſtark und behend, wie der Loͤwe des Ge-<lb/> buͤrges auseilt auf Raub. Drum erzieht ſie<lb/> meiſt die Natur, weil ihr Paͤdagogen ihm<lb/> nimmer den mannigfaltigen Schauplatz er-<lb/> kuͤnſteln koͤnnt, ſtets im gegenwaͤrtigen<lb/> Maaß ſeiner Kraͤfte zu handeln und zu ge-<lb/> nieſſen.</p><lb/> <p>Heil dir, Knabe! der du mit einem ſchar-<lb/> fen Aug fuͤr Verhaͤltniſſe gebohren wirſt,<lb/> dich mit Leichtigkeit an allen Geſtalten zu<lb/> uͤben. Wenn denn nach und nach die Freude<lb/> des Lebens um dich erwacht, und du jauch-<lb/> zenden Menſchengenuß nach Arbeit, Furcht<lb/> und Hofnung fuͤhlſt; das muthige Geſchrey<lb/> des Winzers, wenn die Fuͤlle des Herbſts<lb/> ſeine Gefaͤſſe anſchwellt, den belebten Tanz<lb/> des Schnitters, wenn er die muͤßige Sichel<lb/> hoch in den Balken geheftet hat; wenn dann<lb/> maͤnnlicher, die gewaltige Nerve der Be-<lb/> gierden und Leiden in deinem Pinſel lebt,<lb/> du geſtrebt und gelitten genug haſt, und<lb/> genug genoſſen, und ſatt biſt irrdiſcher Schoͤn-<lb/> heit, und werth biſt auszuruhen in dem Arme<lb/> der Goͤttinn, werth an ihrem Buſen zu fuͤh-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 4</fw><fw place="bottom" type="catch">len,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0139]
waͤren’s die Fluͤgel der Morgenroͤthe, empor
gehoben und fortgeruͤckt werden. Seine
eigne Kraͤfte ſind’s, die ſich im Kindertraum
entfalten, im Juͤnglingsleben bearbeiten, bis
er ſtark und behend, wie der Loͤwe des Ge-
buͤrges auseilt auf Raub. Drum erzieht ſie
meiſt die Natur, weil ihr Paͤdagogen ihm
nimmer den mannigfaltigen Schauplatz er-
kuͤnſteln koͤnnt, ſtets im gegenwaͤrtigen
Maaß ſeiner Kraͤfte zu handeln und zu ge-
nieſſen.
Heil dir, Knabe! der du mit einem ſchar-
fen Aug fuͤr Verhaͤltniſſe gebohren wirſt,
dich mit Leichtigkeit an allen Geſtalten zu
uͤben. Wenn denn nach und nach die Freude
des Lebens um dich erwacht, und du jauch-
zenden Menſchengenuß nach Arbeit, Furcht
und Hofnung fuͤhlſt; das muthige Geſchrey
des Winzers, wenn die Fuͤlle des Herbſts
ſeine Gefaͤſſe anſchwellt, den belebten Tanz
des Schnitters, wenn er die muͤßige Sichel
hoch in den Balken geheftet hat; wenn dann
maͤnnlicher, die gewaltige Nerve der Be-
gierden und Leiden in deinem Pinſel lebt,
du geſtrebt und gelitten genug haſt, und
genug genoſſen, und ſatt biſt irrdiſcher Schoͤn-
heit, und werth biſt auszuruhen in dem Arme
der Goͤttinn, werth an ihrem Buſen zu fuͤh-
len,
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