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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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Und unser aevum? hat auf seinen Ge-
nius verziehen, hat seine Söhne umher ge-
schickt, fremde Gewächse zu ihrem Verder-
ben einzusammeln. Der leichte Franzose,
der noch weit ärger stoppelt, hat wenigstens
eine Art von Witz, seine Beute zu Einem
Ganzen zu fügen, er baut jetzt aus griechischen
Säulen und deutschen Gewölbern seiner
Magdalene einen Wundertempel. Von ei-
nem unsrer Künstler, als er ersucht ward,
zu einer alt deutschen Kirche ein Portal zu
erfinden, hab ich gesehen ein Model fertigen,
stattlichen antiken Säulenwerks.

Wie sehr unsre geschminkte Puppenmah-
ler mix verhaßt sind, mag ich nicht deklami-
ren. Sie haben durch theatralische Stel-
lungen, erlogne Teints, und bunte Kleider
die Augen der Weiber gefangen. Männli-
cher Albrecht Dürer, den die Neulinge an-
spötteln, deine holzgeschnitzteste Gestalt ist
mir willkommner.

Und ihr selbst, trefliche Menschen, denen
die höchste Schönheit zu geniessen gegeben
ward, und nunmehr herabtretet, zu verkün-
den eure Seeligkeit, ihr schadet dem Genius.
Er will auf keinen fremden Flügeln, und

wären's


Und unſer aevum? hat auf ſeinen Ge-
nius verziehen, hat ſeine Soͤhne umher ge-
ſchickt, fremde Gewaͤchſe zu ihrem Verder-
ben einzuſammeln. Der leichte Franzoſe,
der noch weit aͤrger ſtoppelt, hat wenigſtens
eine Art von Witz, ſeine Beute zu Einem
Ganzen zu fuͤgen, er baut jetzt aus griechiſchen
Saͤulen und deutſchen Gewoͤlbern ſeiner
Magdalene einen Wundertempel. Von ei-
nem unſrer Kuͤnſtler, als er erſucht ward,
zu einer alt deutſchen Kirche ein Portal zu
erfinden, hab ich geſehen ein Model fertigen,
ſtattlichen antiken Saͤulenwerks.

Wie ſehr unſre geſchminkte Puppenmah-
ler mix verhaßt ſind, mag ich nicht deklami-
ren. Sie haben durch theatraliſche Stel-
lungen, erlogne Teints, und bunte Kleider
die Augen der Weiber gefangen. Maͤnnli-
cher Albrecht Duͤrer, den die Neulinge an-
ſpoͤtteln, deine holzgeſchnitzteſte Geſtalt iſt
mir willkommner.

Und ihr ſelbſt, trefliche Menſchen, denen
die hoͤchſte Schoͤnheit zu genieſſen gegeben
ward, und nunmehr herabtretet, zu verkuͤn-
den eure Seeligkeit, ihr ſchadet dem Genius.
Er will auf keinen fremden Fluͤgeln, und

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[134/0138] Und unſer aevum? hat auf ſeinen Ge- nius verziehen, hat ſeine Soͤhne umher ge- ſchickt, fremde Gewaͤchſe zu ihrem Verder- ben einzuſammeln. Der leichte Franzoſe, der noch weit aͤrger ſtoppelt, hat wenigſtens eine Art von Witz, ſeine Beute zu Einem Ganzen zu fuͤgen, er baut jetzt aus griechiſchen Saͤulen und deutſchen Gewoͤlbern ſeiner Magdalene einen Wundertempel. Von ei- nem unſrer Kuͤnſtler, als er erſucht ward, zu einer alt deutſchen Kirche ein Portal zu erfinden, hab ich geſehen ein Model fertigen, ſtattlichen antiken Saͤulenwerks. Wie ſehr unſre geſchminkte Puppenmah- ler mix verhaßt ſind, mag ich nicht deklami- ren. Sie haben durch theatraliſche Stel- lungen, erlogne Teints, und bunte Kleider die Augen der Weiber gefangen. Maͤnnli- cher Albrecht Duͤrer, den die Neulinge an- ſpoͤtteln, deine holzgeſchnitzteſte Geſtalt iſt mir willkommner. Und ihr ſelbſt, trefliche Menſchen, denen die hoͤchſte Schoͤnheit zu genieſſen gegeben ward, und nunmehr herabtretet, zu verkuͤn- den eure Seeligkeit, ihr ſchadet dem Genius. Er will auf keinen fremden Fluͤgeln, und waͤren’s

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/138>, abgerufen am 09.11.2024.