Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.nen, laß die weiche Lehre neuerer Schönhei- Die Kunst ist lange bildend, eh sie schön Diese
nen, laß die weiche Lehre neuerer Schoͤnhei- Die Kunſt iſt lange bildend, eh ſie ſchoͤn Dieſe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0136" n="132"/> nen, laß die weiche Lehre neuerer Schoͤnhei-<lb/> teley, dich fuͤr das bedeutende Rauhe nicht<lb/> verzaͤrteln, daß nicht zuletzt deine kraͤnkelnde<lb/> Empfindung nur eine unbedeutende Glaͤtte<lb/> ertragen koͤnne. Sie wollen euch glauben<lb/> machen, die ſchoͤnen Kuͤnſte ſeyen entſtanden<lb/> aus dem Hang, den wir haben ſollen, die<lb/> Dinge rings um uns zu verſchoͤnern. Das<lb/> iſt nicht wahr! Denn in dem Sinne, darin<lb/> es wahr ſeyn koͤnnte, braucht wohl der Buͤr-<lb/> ger und Handwerker die Worte, kein Phi-<lb/> loſoph.</p><lb/> <p>Die Kunſt iſt lange bildend, eh ſie ſchoͤn<lb/> iſt, und doch, ſo wahre, groſſe Kunſt, ja,<lb/> oft wahrer und groͤſſer, als die Schoͤne ſelbſt.<lb/> Denn in dem Menſchen iſt eine bildende Na-<lb/> tur, die gleich ſich thaͤtig beweiſt, wann ſeine<lb/> Exiſtenz geſichert iſt. Sobald er nichts zu<lb/> ſorgen und zu fuͤrchten hat, greift der Halb-<lb/> gott, wirkſam in ſeiner Ruhe, umher nach<lb/> Stoff, ihm ſeinen Geiſt einzuhauchen. Und<lb/> ſo modelt der Wilde mit abentheuerlichen Zuͤ-<lb/> gen, graͤßlichen Geſtalten, hohen Farben,<lb/> ſeine Cocos, ſeine Federn, und ſeinen Koͤr-<lb/> per. Und laßt dieſe Bildnerey aus den will-<lb/> kuͤhrlichſten Formen beſtehn, ſie wird ohne<lb/> Geſtaltsverhaͤltniß zuſammen ſtimmen, denn<lb/> Eine Empfindung ſchuf ſie zum karackteriſti-<lb/> ſchen Ganzen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dieſe</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0136]
nen, laß die weiche Lehre neuerer Schoͤnhei-
teley, dich fuͤr das bedeutende Rauhe nicht
verzaͤrteln, daß nicht zuletzt deine kraͤnkelnde
Empfindung nur eine unbedeutende Glaͤtte
ertragen koͤnne. Sie wollen euch glauben
machen, die ſchoͤnen Kuͤnſte ſeyen entſtanden
aus dem Hang, den wir haben ſollen, die
Dinge rings um uns zu verſchoͤnern. Das
iſt nicht wahr! Denn in dem Sinne, darin
es wahr ſeyn koͤnnte, braucht wohl der Buͤr-
ger und Handwerker die Worte, kein Phi-
loſoph.
Die Kunſt iſt lange bildend, eh ſie ſchoͤn
iſt, und doch, ſo wahre, groſſe Kunſt, ja,
oft wahrer und groͤſſer, als die Schoͤne ſelbſt.
Denn in dem Menſchen iſt eine bildende Na-
tur, die gleich ſich thaͤtig beweiſt, wann ſeine
Exiſtenz geſichert iſt. Sobald er nichts zu
ſorgen und zu fuͤrchten hat, greift der Halb-
gott, wirkſam in ſeiner Ruhe, umher nach
Stoff, ihm ſeinen Geiſt einzuhauchen. Und
ſo modelt der Wilde mit abentheuerlichen Zuͤ-
gen, graͤßlichen Geſtalten, hohen Farben,
ſeine Cocos, ſeine Federn, und ſeinen Koͤr-
per. Und laßt dieſe Bildnerey aus den will-
kuͤhrlichſten Formen beſtehn, ſie wird ohne
Geſtaltsverhaͤltniß zuſammen ſtimmen, denn
Eine Empfindung ſchuf ſie zum karackteriſti-
ſchen Ganzen.
Dieſe
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