Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.nehmende Traurigkeit. Bis die Vögel des Und nun soll ich nicht ergrimmen, heiliger rühmen
nehmende Traurigkeit. Bis die Voͤgel des Und nun ſoll ich nicht ergrimmen, heiliger ruͤhmen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0134" n="130"/> nehmende Traurigkeit. Bis die Voͤgel des<lb/> Morgens, die in ſeinen tauſend Oeffnungen<lb/> wohnen, der Sonne entgegen jauchzten, und<lb/> mich aus dem Schlummer weckten. Wie<lb/> friſch leuchtet er im Morgenduftglanz mir<lb/> entgegen, wie froh konnt ich ihm meine Arme<lb/> entgegen ſtrecken, ſchauen die groſſen harmo-<lb/> niſchen Maſſen, zu unzaͤhlig kleinen Theilen<lb/> belebt; wie in Werken der ewigen Natur,<lb/> bis aufs geringſte Zaͤſerchen, alles Geſtalt,<lb/> und alles zweckend zum Ganzen; wie das<lb/> feſtgegruͤndete ungeheure Gebaͤude ſich leicht<lb/> in die Luft hebt; wie durchbrochen alles und<lb/> doch fuͤr die Ewigkeit. Deinem Unterricht<lb/> dank ich’s, Genius, daß mirs nicht mehr<lb/> ſchwindelt an deinen Tiefen, daß in meine Seele<lb/> ein Tropfen ſich ſenkt, der Wonneruh des<lb/> Geiſtes, der auf ſolch eine Schoͤpfung herab-<lb/> ſchauen, und gottgleich ſprechen kann, es<lb/> iſt gut!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Und nun ſoll ich nicht ergrimmen, heiliger<lb/><hi rendition="#fr">Erwin,</hi> wenn der deutſche Kunſtgelehrte,<lb/> auf Hoͤrenſagen neidiſcher Nachbarn, ſeinen<lb/> Vorzug verkennt, dein Werk mit dem unver-<lb/> ſtandnen Worte <hi rendition="#fr">gothiſch</hi> verkleinert. Da<lb/> er Gott danken ſollte, laut verkuͤndigen zu<lb/> koͤnnen, das iſt deutſche Baukunſt, unſre<lb/> Baukunſt, da der Jtaliaͤner ſich keiner eignen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ruͤhmen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0134]
nehmende Traurigkeit. Bis die Voͤgel des
Morgens, die in ſeinen tauſend Oeffnungen
wohnen, der Sonne entgegen jauchzten, und
mich aus dem Schlummer weckten. Wie
friſch leuchtet er im Morgenduftglanz mir
entgegen, wie froh konnt ich ihm meine Arme
entgegen ſtrecken, ſchauen die groſſen harmo-
niſchen Maſſen, zu unzaͤhlig kleinen Theilen
belebt; wie in Werken der ewigen Natur,
bis aufs geringſte Zaͤſerchen, alles Geſtalt,
und alles zweckend zum Ganzen; wie das
feſtgegruͤndete ungeheure Gebaͤude ſich leicht
in die Luft hebt; wie durchbrochen alles und
doch fuͤr die Ewigkeit. Deinem Unterricht
dank ich’s, Genius, daß mirs nicht mehr
ſchwindelt an deinen Tiefen, daß in meine Seele
ein Tropfen ſich ſenkt, der Wonneruh des
Geiſtes, der auf ſolch eine Schoͤpfung herab-
ſchauen, und gottgleich ſprechen kann, es
iſt gut!
Und nun ſoll ich nicht ergrimmen, heiliger
Erwin, wenn der deutſche Kunſtgelehrte,
auf Hoͤrenſagen neidiſcher Nachbarn, ſeinen
Vorzug verkennt, dein Werk mit dem unver-
ſtandnen Worte gothiſch verkleinert. Da
er Gott danken ſollte, laut verkuͤndigen zu
koͤnnen, das iſt deutſche Baukunſt, unſre
Baukunſt, da der Jtaliaͤner ſich keiner eignen
ruͤhmen
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