Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.Umstände Bereitung und Natur ahnde! So Hätte ich doch Worte dazu, um die ein- Ster- G 3
Umſtaͤnde Bereitung und Natur ahnde! So Haͤtte ich doch Worte dazu, um die ein- Ster- G 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="101"/> Umſtaͤnde Bereitung und Natur ahnde! So<lb/> weiter. Alles Koſtume der Geiſter erſchoͤpft!<lb/> der Menſchen zur Erſcheinung erſchoͤpft!<lb/> Hahnkraͤh und Paukenſchall, ſtummer Wink<lb/> und der nahe Huͤgel, Wort und Unwort —<lb/> welches Lokal! welches tiefe Eingraben der<lb/> Wahrheit! Und wie der erſchreckte Koͤnig<lb/> kniet, und Hamlet vorbeyirrt in ſeiner Mut-<lb/> ter Kammer vor dem Bilde ſeines Vaters!<lb/> und nun die andre Erſcheinung! Er am<lb/> Grabe ſeiner Ophelia! der ruͤhrende <hi rendition="#aq">good<lb/> Fellow</hi> in allen den Verbindungen mit <hi rendition="#fr">Horaz<lb/> Ophelia, Laertes, Fortinbras!</hi> das Ju-<lb/> gendſpiel der Handlung, was durchs Stuͤck<lb/> fortlaͤuft und faſt bis zu Ende keine Handlung<lb/> wird — wer da Einen Augenblick Brettern-<lb/> geruͤſte fuͤhlt und ſucht, und Eine Reihe ge-<lb/> bundner artiger Geſpraͤche auf ihm ſucht, fuͤr<lb/> den hat <hi rendition="#fr">Shakeſpear</hi> und <hi rendition="#fr">Sophokles,</hi> kein<lb/> wahrer Dichter der Welt gedichtet.</p><lb/> <p>Haͤtte ich doch Worte dazu, um die ein-<lb/> zelue Hauptempfindung, die alſo jedes Stuͤck<lb/> beherrſcht, und wie eine Weltſeele durchſtroͤmt,<lb/> zu bemerken. Wie es doch in Othello wuͤrk-<lb/> lich mit zu dem Stuͤcke gehoͤrt, ſo ſelbſt das<lb/> Nachtſuchen wie die fabelhafte Wunderliebe,<lb/> die Seefahrt, der Seeſturm, wie die brau-<lb/> ſende Leidenſchaft Othellos, die ſo ſehr ver-<lb/> ſpottete Todesart, das Entkleiden unter dem<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ster-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0105]
Umſtaͤnde Bereitung und Natur ahnde! So
weiter. Alles Koſtume der Geiſter erſchoͤpft!
der Menſchen zur Erſcheinung erſchoͤpft!
Hahnkraͤh und Paukenſchall, ſtummer Wink
und der nahe Huͤgel, Wort und Unwort —
welches Lokal! welches tiefe Eingraben der
Wahrheit! Und wie der erſchreckte Koͤnig
kniet, und Hamlet vorbeyirrt in ſeiner Mut-
ter Kammer vor dem Bilde ſeines Vaters!
und nun die andre Erſcheinung! Er am
Grabe ſeiner Ophelia! der ruͤhrende good
Fellow in allen den Verbindungen mit Horaz
Ophelia, Laertes, Fortinbras! das Ju-
gendſpiel der Handlung, was durchs Stuͤck
fortlaͤuft und faſt bis zu Ende keine Handlung
wird — wer da Einen Augenblick Brettern-
geruͤſte fuͤhlt und ſucht, und Eine Reihe ge-
bundner artiger Geſpraͤche auf ihm ſucht, fuͤr
den hat Shakeſpear und Sophokles, kein
wahrer Dichter der Welt gedichtet.
Haͤtte ich doch Worte dazu, um die ein-
zelue Hauptempfindung, die alſo jedes Stuͤck
beherrſcht, und wie eine Weltſeele durchſtroͤmt,
zu bemerken. Wie es doch in Othello wuͤrk-
lich mit zu dem Stuͤcke gehoͤrt, ſo ſelbſt das
Nachtſuchen wie die fabelhafte Wunderliebe,
die Seefahrt, der Seeſturm, wie die brau-
ſende Leidenſchaft Othellos, die ſo ſehr ver-
ſpottete Todesart, das Entkleiden unter dem
Ster-
G 3
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