Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.durch die Sprache. Will man solche übernatür- Jch schmeichle mir, daß wenn mein würdiger etwas
durch die Sprache. Will man ſolche uͤbernatuͤr- Jch ſchmeichle mir, daß wenn mein wuͤrdiger etwas
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durch die Sprache. Will man ſolche uͤbernatuͤr-
liche Erleichterung aus andern Gruͤnden annehmen:
ſo geht das meinen Zweck nichts an; nur alsdenn
hat Gott durchaus fuͤr die Menſchen keine Spra-
che erfunden, ſondern dieſe haben immer noch mit
Wuͤrkung eigner Kraͤfte, nur unter hoͤherer Ver-
anſtaltung, ſich ihre Sprache finden muͤſſen. Um
das erſte Wort, als Wort, d. i. als Merkzeichen
der Vernunft auch aus dem Munde Gottes empfan-
gen zu koͤnnen, war Vernunft noͤthig; und der
Menſch mußte dieſelbe Beſinnung anwenden, dies
Wort, als Wort zu verſtehen, als haͤtte ers ur-
ſpruͤnglich erſonnen. Alsdenn fechten alle Waffen
meines Gegners gegen ihn ſelbſt; er mußte wuͤrk-
lichen Gebrauch der Vernunft haben, um goͤttliche
Sprache zu lernen: den hat immer ein lernendes
Kind auch, wenn es nicht, wie ein Papagay, blos
Worte ohne Gedanken ſagen ſoll — Was waͤren
aber das fuͤr wuͤrdige Schuͤler Gottes, die ſo lern-
ten? Und wenn die ewig ſo gelernt haͤtten, wo haͤt-
ten wir denn unſre Vernunftſprache her?
Jch ſchmeichle mir, daß wenn mein wuͤrdiger
Gegner noch lebte, er einſaͤhe, daß ſein Einwurf
etwas
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