feinere Sinne, Gesicht und Gehör, fällt, und diese ihm immer fort Sprache geben: so folgt, daß im Ganzen genommen. "Auch kein Zustand "in der menschlichen Seele sey, der nicht "wortfähig oder würklich durch Worte der "Seele bestimmt werde." Es müßte der dun- kelste Schwärmer oder ein Vieh -- der abstrakteste Götterseher, oder eine träumende Monade seyn, der ganz ohne Worte dächte. Und in der menschlichen Seele ist, wie wir selbst in Träumen und bei Ver- rükten sehen, kein solcher Zustand möglich. So kühn es klinge so ists wahr -- der Mensch em- pfindet mit dem Verstande und spricht, in- dem er denket, -- -- und indem er nun im- mer so fortdenket, und, wie wir gesehen, jeden Gedanken in der Stille mit dem vorigen und der Zukunft zusammen hält: so muß
"Jeder Zustand, der durch Reflexion so "verkettet ist, besser denken, mithin auch "besser sprechen." Lasset ihm den freien Ge- brauch seiner Sinne: da der Mittelpunkt dieses Gebrauchs in Gesicht und Gehör fällt, wo jenes ihm Merkmal und dieses Ton zum Merkmale gibt:
so
feinere Sinne, Geſicht und Gehoͤr, faͤllt, und dieſe ihm immer fort Sprache geben: ſo folgt, daß im Ganzen genommen. „Auch kein Zuſtand „in der menſchlichen Seele ſey, der nicht „wortfaͤhig oder wuͤrklich durch Worte der „Seele beſtimmt werde.„ Es muͤßte der dun- kelſte Schwaͤrmer oder ein Vieh — der abſtrakteſte Goͤtterſeher, oder eine traͤumende Monade ſeyn, der ganz ohne Worte daͤchte. Und in der menſchlichen Seele iſt, wie wir ſelbſt in Traͤumen und bei Ver- ruͤkten ſehen, kein ſolcher Zuſtand moͤglich. So kuͤhn es klinge ſo iſts wahr — der Menſch em- pfindet mit dem Verſtande und ſpricht, in- dem er denket, — — und indem er nun im- mer ſo fortdenket, und, wie wir geſehen, jeden Gedanken in der Stille mit dem vorigen und der Zukunft zuſammen haͤlt: ſo muß
„Jeder Zuſtand, der durch Reflexion ſo „verkettet iſt, beſſer denken, mithin auch „beſſer ſprechen.„ Laſſet ihm den freien Ge- brauch ſeiner Sinne: da der Mittelpunkt dieſes Gebrauchs in Geſicht und Gehoͤr faͤllt, wo jenes ihm Merkmal und dieſes Ton zum Merkmale gibt:
ſo
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feinere Sinne, Geſicht und Gehoͤr, faͤllt, und
dieſe ihm immer fort Sprache geben: ſo folgt,
daß im Ganzen genommen. „Auch kein Zuſtand
„in der menſchlichen Seele ſey, der nicht
„wortfaͤhig oder wuͤrklich durch Worte der
„Seele beſtimmt werde.„ Es muͤßte der dun-
kelſte Schwaͤrmer oder ein Vieh — der abſtrakteſte
Goͤtterſeher, oder eine traͤumende Monade ſeyn, der
ganz ohne Worte daͤchte. Und in der menſchlichen
Seele iſt, wie wir ſelbſt in Traͤumen und bei Ver-
ruͤkten ſehen, kein ſolcher Zuſtand moͤglich. So
kuͤhn es klinge ſo iſts wahr — der Menſch em-
pfindet mit dem Verſtande und ſpricht, in-
dem er denket, — — und indem er nun im-
mer ſo fortdenket, und, wie wir geſehen, jeden
Gedanken in der Stille mit dem vorigen und der
Zukunft zuſammen haͤlt: ſo muß
„Jeder Zuſtand, der durch Reflexion ſo
„verkettet iſt, beſſer denken, mithin auch
„beſſer ſprechen.„ Laſſet ihm den freien Ge-
brauch ſeiner Sinne: da der Mittelpunkt dieſes
Gebrauchs in Geſicht und Gehoͤr faͤllt, wo jenes
ihm Merkmal und dieſes Ton zum Merkmale gibt:
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/160>, abgerufen am 22.07.2024.
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