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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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Proben davon sind z. E. des la Loubere Nach-
richten von der Siamischen Sprache: wie ähnlich
ist sie noch dem Zusammenhange der Morgenlän-
der, insonderheit ehe durch spätere Bildung noch
mehr von ihm hineinkam. Der Siamer will
sagen: "wäre ich zu Siam, so wäre ich vergnügt!"
und sagt: "Wenn ich seyn Stadt Siam; ich wohl
"Herz viel! -- Er will das Vater Unser beten:
und muß sagen; "Vater, uns seyn Himmel! Na-
"men Gottes wollen heiligen aller Ort u. s. w. --
wie morgenländisch und ursprünglich ist das? ge-
rade so zusammenhangend, als eine mexikanische
Bilderschaft! oder das Stammeln der Ungelehri-
gen aus fremden Sprachen!

6) Jch muß hier noch eine Sonderbarkeit er-
klären, die ich auch in Herrn Süßmilchs göttlicher
Ordnung mißverstanden sehe: "nemlich die Man-
"nichfaltigkeit der Bedeutungen eines Worts nach
"dem Unterschiede kleiner Artikulationen!" Jch
finde diesen Kunstgriff fast unter allen Wilden, wie
ihn z. E. Garcilasso di Vega von den Perua-
nern, Condamine
von den Brasilianern,
la Loubere
von den Siamesen, Resoel von

den

Proben davon ſind z. E. des la Loubere Nach-
richten von der Siamiſchen Sprache: wie aͤhnlich
iſt ſie noch dem Zuſammenhange der Morgenlaͤn-
der, inſonderheit ehe durch ſpaͤtere Bildung noch
mehr von ihm hineinkam. Der Siamer will
ſagen: „waͤre ich zu Siam, ſo waͤre ich vergnuͤgt!„
und ſagt: „Wenn ich ſeyn Stadt Siam; ich wohl
„Herz viel! — Er will das Vater Unſer beten:
und muß ſagen; „Vater, uns ſeyn Himmel! Na-
„men Gottes wollen heiligen aller Ort u. ſ. w. —
wie morgenlaͤndiſch und urſpruͤnglich iſt das? ge-
rade ſo zuſammenhangend, als eine mexikaniſche
Bilderſchaft! oder das Stammeln der Ungelehri-
gen aus fremden Sprachen!

6) Jch muß hier noch eine Sonderbarkeit er-
klaͤren, die ich auch in Herrn Suͤßmilchs goͤttlicher
Ordnung mißverſtanden ſehe: „nemlich die Man-
„nichfaltigkeit der Bedeutungen eines Worts nach
„dem Unterſchiede kleiner Artikulationen!„ Jch
finde dieſen Kunſtgriff faſt unter allen Wilden, wie
ihn z. E. Garcilaſſo di Vega von den Perua-
nern, Condamine
von den Braſilianern,
la Loubere
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den
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[136/0142] Proben davon ſind z. E. des la Loubere Nach- richten von der Siamiſchen Sprache: wie aͤhnlich iſt ſie noch dem Zuſammenhange der Morgenlaͤn- der, inſonderheit ehe durch ſpaͤtere Bildung noch mehr von ihm hineinkam. Der Siamer will ſagen: „waͤre ich zu Siam, ſo waͤre ich vergnuͤgt!„ und ſagt: „Wenn ich ſeyn Stadt Siam; ich wohl „Herz viel! — Er will das Vater Unſer beten: und muß ſagen; „Vater, uns ſeyn Himmel! Na- „men Gottes wollen heiligen aller Ort u. ſ. w. — wie morgenlaͤndiſch und urſpruͤnglich iſt das? ge- rade ſo zuſammenhangend, als eine mexikaniſche Bilderſchaft! oder das Stammeln der Ungelehri- gen aus fremden Sprachen! 6) Jch muß hier noch eine Sonderbarkeit er- klaͤren, die ich auch in Herrn Suͤßmilchs goͤttlicher Ordnung mißverſtanden ſehe: „nemlich die Man- „nichfaltigkeit der Bedeutungen eines Worts nach „dem Unterſchiede kleiner Artikulationen!„ Jch finde dieſen Kunſtgriff faſt unter allen Wilden, wie ihn z. E. Garcilaſſo di Vega von den Perua- nern, Condamine von den Braſilianern, la Loubere von den Siameſen, Reſoel von den

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/142>, abgerufen am 04.05.2024.