Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.Furchen in die Seele graben; ein übermannendes irren- A 4
Furchen in die Seele graben; ein uͤbermannendes irren- A 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0013" n="7"/> Furchen in die Seele graben; ein uͤbermannendes<lb/> Gefuͤhl von Rache, Verzweiflung, Wuth, Schre-<lb/> cken, Grauſen u. ſ. w. alle kuͤndigen ſich an, und<lb/> jede nach ihrer Art verſchieden an. So viel Gat-<lb/> tungen von Fuͤhlbarkeit in unſrer Natur ſchlum-<lb/> mern, ſo viel auch Tonarten — — Jch merke<lb/> alſo an, daß <hi rendition="#fr">je weniger die menſchliche Natur<lb/> mit einer Thierart verwandt; je ungleichar-<lb/> tiger ſie mit ihr am Nervenbaue iſt: deſto-<lb/> weniger iſt ihre Naturſprache uns verſtaͤnd-<lb/> lich.</hi> Wir verſtehen als Erdenthiere, das Erden-<lb/> thier beſſer, als das Waſſergeſchoͤpf, und auf der<lb/> Erde das Heerdethier beſſer, als das Waldgeſchoͤpf;<lb/> und unter den Heerdethieren die am meiſten, die<lb/> uns am naͤchſten kommen. Nur daß freilich auch<lb/> bei dieſen Umgang und Gewohnheit mehr oder<lb/> weniger thut. Es iſt natuͤrlich, daß der Araber,<lb/> der mit ſeinem Pferde nur Ein Stuͤck ausmacht,<lb/> es mehr verſteht, als der, der zum Erſtenmal ein<lb/> Pferd beſchreitet; faſt ſo gut, als Hektor in der<lb/> Jliade mit den Seinigen ſprechen konnte. Der<lb/> Araber in der Wuͤſte, der nichts lebendiges um<lb/> ſich hat, als ſein Kameel, und etwa den Flug um-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">irren-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0013]
Furchen in die Seele graben; ein uͤbermannendes
Gefuͤhl von Rache, Verzweiflung, Wuth, Schre-
cken, Grauſen u. ſ. w. alle kuͤndigen ſich an, und
jede nach ihrer Art verſchieden an. So viel Gat-
tungen von Fuͤhlbarkeit in unſrer Natur ſchlum-
mern, ſo viel auch Tonarten — — Jch merke
alſo an, daß je weniger die menſchliche Natur
mit einer Thierart verwandt; je ungleichar-
tiger ſie mit ihr am Nervenbaue iſt: deſto-
weniger iſt ihre Naturſprache uns verſtaͤnd-
lich. Wir verſtehen als Erdenthiere, das Erden-
thier beſſer, als das Waſſergeſchoͤpf, und auf der
Erde das Heerdethier beſſer, als das Waldgeſchoͤpf;
und unter den Heerdethieren die am meiſten, die
uns am naͤchſten kommen. Nur daß freilich auch
bei dieſen Umgang und Gewohnheit mehr oder
weniger thut. Es iſt natuͤrlich, daß der Araber,
der mit ſeinem Pferde nur Ein Stuͤck ausmacht,
es mehr verſteht, als der, der zum Erſtenmal ein
Pferd beſchreitet; faſt ſo gut, als Hektor in der
Jliade mit den Seinigen ſprechen konnte. Der
Araber in der Wuͤſte, der nichts lebendiges um
ſich hat, als ſein Kameel, und etwa den Flug um-
irren-
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