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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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wandelung mit diesem Schall jene Farbe, mit die-
ser Erscheinung jenes ganz verschiedne, dunkle Ge-
fühl verbinden, was durch die Vergleichung der
langsamen Vernunft mit ihr gar keine Verwand-
schaft hat: denn wer kann Schall und Farbe, Er-
scheinung und Gefühl vergleichen? Wir sind voll
solcher Verknüpfungen der verschiedensten Sinne;
nur wir bemerken sie nicht anders, als in An-
wandlungen, die uns aus der Fassung setzen, in
Krankheiten der Phantasie, oder bei Gelegenhei-
ten, wo sie außerordentlich merkbar werden. Der
gewöhnliche Lauf unsrer Gedanken geht so schnell;
die Wellen unsrer Empfindungen rauschen so dun-
kel in einander: es ist auf Einmal so viel in unsrer
Seele, daß wir in Absicht der meisten Jdeen wie
im Schlummer an einer Wasserquelle sind, wo
wir freilich noch das Rauschen jeder Welle hören,
aber so dunkel, daß uns endlich der Schlaf alles
merkbare Gefühl nimmt. Wäre es möglich, daß
wir die Kette unsrer Gedanken anhalten, und an
jedem Gliede seine Verbindung suchen könnten --
welche Sonderbarkeiten! welche fremde Analogien
der verschiedensten Sinne, nach denen doch die

Seele

wandelung mit dieſem Schall jene Farbe, mit die-
ſer Erſcheinung jenes ganz verſchiedne, dunkle Ge-
fuͤhl verbinden, was durch die Vergleichung der
langſamen Vernunft mit ihr gar keine Verwand-
ſchaft hat: denn wer kann Schall und Farbe, Er-
ſcheinung und Gefuͤhl vergleichen? Wir ſind voll
ſolcher Verknuͤpfungen der verſchiedenſten Sinne;
nur wir bemerken ſie nicht anders, als in An-
wandlungen, die uns aus der Faſſung ſetzen, in
Krankheiten der Phantaſie, oder bei Gelegenhei-
ten, wo ſie außerordentlich merkbar werden. Der
gewoͤhnliche Lauf unſrer Gedanken geht ſo ſchnell;
die Wellen unſrer Empfindungen rauſchen ſo dun-
kel in einander: es iſt auf Einmal ſo viel in unſrer
Seele, daß wir in Abſicht der meiſten Jdeen wie
im Schlummer an einer Waſſerquelle ſind, wo
wir freilich noch das Rauſchen jeder Welle hoͤren,
aber ſo dunkel, daß uns endlich der Schlaf alles
merkbare Gefuͤhl nimmt. Waͤre es moͤglich, daß
wir die Kette unſrer Gedanken anhalten, und an
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welche Sonderbarkeiten! welche fremde Analogien
der verſchiedenſten Sinne, nach denen doch die

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[95/0101] wandelung mit dieſem Schall jene Farbe, mit die- ſer Erſcheinung jenes ganz verſchiedne, dunkle Ge- fuͤhl verbinden, was durch die Vergleichung der langſamen Vernunft mit ihr gar keine Verwand- ſchaft hat: denn wer kann Schall und Farbe, Er- ſcheinung und Gefuͤhl vergleichen? Wir ſind voll ſolcher Verknuͤpfungen der verſchiedenſten Sinne; nur wir bemerken ſie nicht anders, als in An- wandlungen, die uns aus der Faſſung ſetzen, in Krankheiten der Phantaſie, oder bei Gelegenhei- ten, wo ſie außerordentlich merkbar werden. Der gewoͤhnliche Lauf unſrer Gedanken geht ſo ſchnell; die Wellen unſrer Empfindungen rauſchen ſo dun- kel in einander: es iſt auf Einmal ſo viel in unſrer Seele, daß wir in Abſicht der meiſten Jdeen wie im Schlummer an einer Waſſerquelle ſind, wo wir freilich noch das Rauſchen jeder Welle hoͤren, aber ſo dunkel, daß uns endlich der Schlaf alles merkbare Gefuͤhl nimmt. Waͤre es moͤglich, daß wir die Kette unſrer Gedanken anhalten, und an jedem Gliede ſeine Verbindung ſuchen koͤnnten — welche Sonderbarkeiten! welche fremde Analogien der verſchiedenſten Sinne, nach denen doch die Seele

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/101>, abgerufen am 21.11.2024.