rüber fragt man
die Erfahrung vergebens. Desto nothwen- diger ist es, daß man die, hiebey
unvermeidliche, metaphy- sische Voraussetzung irgend
eines mannigfaltigen und ver- wickelten Causal-Verhältnisses, sowohl der ver- schiedenen Vermögen unter einander, als
ihrer aller zu dem vorgeblichen Stoffe, den sie gemein- schaftlich
bearbeiten sollen, einsehe und eingestehe.
59. Durch die Anerkennung des eben erwähnten Cau- sal-Verhältnisses hat sich die
Psychologie bisher die Reihen- folge ihrer Lehren bestimmen lassen. Nach dem
Satze: nihil est in intellectu, quod non
prius fuerit in sensu, sind die Sinnes-Vorstellungen zuerst
abgehandelt, und von dem Übrigen ist in solcher Ordnung geredet worden, wie es
all- mählig aus jenen hervorzugehn scheint. Die allmählige Entwicke- lung des
einzelnen Menschen und der Völker, desgleichen der Unterschied zwischen Thier
und Mensch, giebt hier den Leitfaden.
Nun ist zwar der Erfahrung gemäß, daß wir weit all- gemeiner die niedere
Sinnlichkeit, als jedes andre geistige Leben, dieses aber niemals ohne jene, in
der Wirklichkeit antreffen, ja daß wir große Mühe haben, mit dem Aus- druck: reine Vernunft einen nur leidlich bestimmten Sinn zu verbinden. Nichts desto weniger giebt es zwey sehr wichtige psychologische
Thatsachen, die wir nicht anders auf- fassen können, denn als dem
Causal-Verhältniß zwischen Sinnlichkeit und Vernunft fremd oder widerstreitend:
das reine Selbstbewußtseyn und die sittliche Entschlie- ßung. Was immer wir im Lause der Zeit an uns
beobach- ten, das muß, als zufallig wechselnd, von unserm wahren Jch
unterschieden werden; dieses letztere also kennen wir, so scheint es, unabhängig
selbst vom innern Sinne, durch eine so- genannte reine Apperception. (Jm Allgemeinen heißt Apperception
soviel als das Wissen von dem, was in uns vorgeht.) Und ein Entschluß zeigt sich
dann am klärsten als ächt sittlich,
rüber fragt man
die Erfahrung vergebens. Desto nothwen- diger ist es, daß man die, hiebey
unvermeidliche, metaphy- sische Voraussetzung irgend
eines mannigfaltigen und ver- wickelten Causal-Verhältnisses, sowohl der ver- schiedenen Vermögen unter einander, als
ihrer aller zu dem vorgeblichen Stoffe, den sie gemein- schaftlich
bearbeiten sollen, einsehe und eingestehe.
59. Durch die Anerkennung des eben erwähnten Cau- sal-Verhältnisses hat sich die
Psychologie bisher die Reihen- folge ihrer Lehren bestimmen lassen. Nach dem
Satze: nihil est in intellectu, quod non
prius fuerit in sensu, sind die Sinnes-Vorstellungen zuerst
abgehandelt, und von dem Übrigen ist in solcher Ordnung geredet worden, wie es
all- mählig aus jenen hervorzugehn scheint. Die allmählige Entwicke- lung des
einzelnen Menschen und der Völker, desgleichen der Unterschied zwischen Thier
und Mensch, giebt hier den Leitfaden.
Nun ist zwar der Erfahrung gemäß, daß wir weit all- gemeiner die niedere
Sinnlichkeit, als jedes andre geistige Leben, dieses aber niemals ohne jene, in
der Wirklichkeit antreffen, ja daß wir große Mühe haben, mit dem Aus- druck: reine Vernunft einen nur leidlich bestimmten Sinn zu verbinden. Nichts desto weniger giebt es zwey sehr wichtige psychologische
Thatsachen, die wir nicht anders auf- fassen können, denn als dem
Causal-Verhältniß zwischen Sinnlichkeit und Vernunft fremd oder widerstreitend:
das reine Selbstbewußtseyn und die sittliche Entschlie- ßung. Was immer wir im Lause der Zeit an uns
beobach- ten, das muß, als zufallig wechselnd, von unserm wahren Jch
unterschieden werden; dieses letztere also kennen wir, so scheint es, unabhängig
selbst vom innern Sinne, durch eine so- genannte reine Apperception. (Jm Allgemeinen heißt Apperception
soviel als das Wissen von dem, was in uns vorgeht.) Und ein Entschluß zeigt sich
dann am klärsten als ächt sittlich,
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rüber fragt man die Erfahrung vergebens. Desto nothwen-
diger ist es, daß man die, hiebey unvermeidliche, metaphy-
sische Voraussetzung irgend eines mannigfaltigen und ver-
wickelten Causal-Verhältnisses, sowohl der ver-
schiedenen Vermögen unter einander, als ihrer
aller zu dem vorgeblichen Stoffe, den sie gemein-
schaftlich bearbeiten sollen, einsehe und eingestehe.
59. Durch die Anerkennung des eben erwähnten Cau-
sal-Verhältnisses hat sich die Psychologie bisher die Reihen-
folge ihrer Lehren bestimmen lassen. Nach dem Satze: nihil
est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu,
sind die Sinnes-Vorstellungen zuerst abgehandelt, und von
dem Übrigen ist in solcher Ordnung geredet worden, wie es all-
mählig aus jenen hervorzugehn scheint. Die allmählige Entwicke-
lung des einzelnen Menschen und der Völker, desgleichen der
Unterschied zwischen Thier und Mensch, giebt hier den Leitfaden.
Nun ist zwar der Erfahrung gemäß, daß wir weit all-
gemeiner die niedere Sinnlichkeit, als jedes andre geistige
Leben, dieses aber niemals ohne jene, in der Wirklichkeit
antreffen, ja daß wir große Mühe haben, mit dem Aus-
druck: reine Vernunft einen nur leidlich bestimmten Sinn
zu verbinden. Nichts desto weniger giebt es zwey sehr
wichtige psychologische Thatsachen, die wir nicht anders auf-
fassen können, denn als dem Causal-Verhältniß zwischen
Sinnlichkeit und Vernunft fremd oder widerstreitend: das
reine Selbstbewußtseyn und die sittliche Entschlie-
ßung. Was immer wir im Lause der Zeit an uns beobach-
ten, das muß, als zufallig wechselnd, von unserm wahren
Jch unterschieden werden; dieses letztere also kennen wir, so
scheint es, unabhängig selbst vom innern Sinne, durch eine so-
genannte reine Apperception. (Jm Allgemeinen heißt
Apperception soviel als das Wissen von dem, was in uns vorgeht.)
Und ein Entschluß zeigt sich dann am klärsten als ächt sittlich,
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/51>, abgerufen am 27.07.2024.
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