ten sind.
Vorstellungen auf der Schwelle des Bewußt- seyns können mit andern nicht in
Verbindung treten, denn sie sind ganz und gar in ein Streben wider bestimmte
an- dere verwandelt und dadurch gleichsam isolirt. Aber im Be- wußtseyn
verknüpfen sich die Vorstellungen auf zweierley Weise: erstlich compliciren sich die nicht-entgegengesetz- ten (wie Ton und Farbe), so weit
sie ungehemmt zusammen- treffen; zweitens verschmelzen die entgegengesetzten, so
weit sie im Zusammentreffen weder von zufalliger fremder, noch von der
unvermeidlichen gegenseitigen Hemmung leiden. Die Complicationen können vollkommen seyn, die Verschmel- zungen sind ihrer
Natur nach allemal unvollkommen.
Anmerkung. Von solchen Complerionen, die wenig- stens theilweise und beynahe
vollkommen sind, haben wir merkwürdige Beyspiele an den Vorstellungen der Dinge mitmehrern Merkmalen, und der
Worte, als Zei- chen der Gedanken. Die letztern, Gedanken
und Worte, sind in der Muttersprache so eng verbunden, daß es den Schein
gewinnt, als ob man vermittelst der Worte dächte. Über beyde Beispiele tiefer
unten ein Mehreres. Unter den Verschmelzungen sind besonders merkwürdig theils
die, wel- che ein ästhetisches Verhältniß in sich fassen
(welches, psychologisch genommen, zugleich mit der Verschmelzung er- zeugt
wird), theils die, welche Reihenfolgen bilden, wo- rin die
Reihen formen ihren Ursprung haben.
23. Was von mehrern Vorstellungen complicirt oder verschmolzen ist, das ergiebt
eine Totalkraft, und wirkt des- halb nach ganz andern statischen und mechanischen
Gesetzen, als wornach die einzelnen Vorstellungen sich würden gerich- tet
haben. Auch die Schwellen des Bewußtseyns ändern sich darnach, so daß, wegen einer
Verbindung, auch eine äußerst schwache Vorstellung im Bewußtseyn bleiben und
da- rin wirken kann.
ten sind.
Vorstellungen auf der Schwelle des Bewußt- seyns können mit andern nicht in
Verbindung treten, denn sie sind ganz und gar in ein Streben wider bestimmte
an- dere verwandelt und dadurch gleichsam isolirt. Aber im Be- wußtseyn
verknüpfen sich die Vorstellungen auf zweierley Weise: erstlich compliciren sich die nicht-entgegengesetz- ten (wie Ton und Farbe), so weit
sie ungehemmt zusammen- treffen; zweitens verschmelzen die entgegengesetzten, so
weit sie im Zusammentreffen weder von zufalliger fremder, noch von der
unvermeidlichen gegenseitigen Hemmung leiden. Die Complicationen können vollkommen seyn, die Verschmel- zungen sind ihrer
Natur nach allemal unvollkommen.
Anmerkung. Von solchen Complerionen, die wenig- stens theilweise und beynahe
vollkommen sind, haben wir merkwürdige Beyspiele an den Vorstellungen der Dinge mitmehrern Merkmalen, und der
Worte, als Zei- chen der Gedanken. Die letztern, Gedanken
und Worte, sind in der Muttersprache so eng verbunden, daß es den Schein
gewinnt, als ob man vermittelst der Worte dächte. Über beyde Beispiele tiefer
unten ein Mehreres. Unter den Verschmelzungen sind besonders merkwürdig theils
die, wel- che ein ästhetisches Verhältniß in sich fassen
(welches, psychologisch genommen, zugleich mit der Verschmelzung er- zeugt
wird), theils die, welche Reihenfolgen bilden, wo- rin die
Reihen formen ihren Ursprung haben.
23. Was von mehrern Vorstellungen complicirt oder verschmolzen ist, das ergiebt
eine Totalkraft, und wirkt des- halb nach ganz andern statischen und mechanischen
Gesetzen, als wornach die einzelnen Vorstellungen sich würden gerich- tet
haben. Auch die Schwellen des Bewußtseyns ändern sich darnach, so daß, wegen einer
Verbindung, auch eine äußerst schwache Vorstellung im Bewußtseyn bleiben und
da- rin wirken kann.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0025"n="17"/>
ten<lb/>
sind.
Vorstellungen auf der Schwelle des Bewußt-<lb/>
seyns können mit andern nicht in
Verbindung treten, denn<lb/>
sie sind ganz und gar in ein Streben wider bestimmte
an-<lb/>
dere verwandelt und dadurch gleichsam isolirt. Aber im Be-<lb/>
wußtseyn
verknüpfen sich die Vorstellungen auf zweierley<lb/>
Weise: erstlich <hirendition="#g">compliciren</hi> sich die nicht-entgegengesetz-<lb/>
ten (wie Ton und Farbe), so weit
sie ungehemmt zusammen-<lb/>
treffen; zweitens verschmelzen die entgegengesetzten, so<lb/>
weit sie im Zusammentreffen weder von zufalliger fremder, noch<lb/>
von der
unvermeidlichen gegenseitigen Hemmung leiden. Die<lb/>
Complicationen <hirendition="#g">können vollkommen</hi> seyn, die Verschmel-<lb/>
zungen sind ihrer
Natur nach allemal <hirendition="#g">unvollkommen</hi>.</p><lb/><p>Anmerkung. Von solchen Complerionen, die wenig-<lb/>
stens theilweise und beynahe
vollkommen sind, haben wir<lb/>
merkwürdige Beyspiele an den Vorstellungen der <hirendition="#g">Dinge </hi><lb/>
mitmehrern <hirendition="#g">Merkmalen</hi>, und der
Worte, als <hirendition="#g">Zei-<lb/>
chen der Gedanken</hi>. Die letztern, Gedanken
und Worte,<lb/>
sind in der Muttersprache so eng verbunden, daß es den<lb/>
Schein
gewinnt, als ob man vermittelst der Worte dächte.<lb/>
Über beyde Beispiele tiefer
unten ein Mehreres. Unter den<lb/>
Verschmelzungen sind besonders merkwürdig theils
die, wel-<lb/>
che ein <hirendition="#g">ästhetisches Verhältniß</hi> in sich fassen
(welches,<lb/>
psychologisch genommen, zugleich mit der Verschmelzung er-<lb/>
zeugt
wird), theils die, welche <hirendition="#g">Reihenfolgen</hi> bilden, wo-<lb/>
rin die
Reihen formen ihren Ursprung haben.</p><lb/><p>23. Was von mehrern Vorstellungen complicirt oder<lb/>
verschmolzen ist, das ergiebt
eine Totalkraft, und wirkt des-<lb/>
halb nach ganz andern statischen und mechanischen
Gesetzen,<lb/>
als wornach die einzelnen Vorstellungen sich würden gerich-<lb/>
tet
haben. Auch die Schwellen des Bewußtseyns ändern<lb/>
sich darnach, so daß, wegen einer
Verbindung, auch eine<lb/>
äußerst schwache Vorstellung im Bewußtseyn bleiben und
da-<lb/>
rin wirken kann.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[17/0025]
ten
sind. Vorstellungen auf der Schwelle des Bewußt-
seyns können mit andern nicht in Verbindung treten, denn
sie sind ganz und gar in ein Streben wider bestimmte an-
dere verwandelt und dadurch gleichsam isolirt. Aber im Be-
wußtseyn verknüpfen sich die Vorstellungen auf zweierley
Weise: erstlich compliciren sich die nicht-entgegengesetz-
ten (wie Ton und Farbe), so weit sie ungehemmt zusammen-
treffen; zweitens verschmelzen die entgegengesetzten, so
weit sie im Zusammentreffen weder von zufalliger fremder, noch
von der unvermeidlichen gegenseitigen Hemmung leiden. Die
Complicationen können vollkommen seyn, die Verschmel-
zungen sind ihrer Natur nach allemal unvollkommen.
Anmerkung. Von solchen Complerionen, die wenig-
stens theilweise und beynahe vollkommen sind, haben wir
merkwürdige Beyspiele an den Vorstellungen der Dinge
mitmehrern Merkmalen, und der Worte, als Zei-
chen der Gedanken. Die letztern, Gedanken und Worte,
sind in der Muttersprache so eng verbunden, daß es den
Schein gewinnt, als ob man vermittelst der Worte dächte.
Über beyde Beispiele tiefer unten ein Mehreres. Unter den
Verschmelzungen sind besonders merkwürdig theils die, wel-
che ein ästhetisches Verhältniß in sich fassen (welches,
psychologisch genommen, zugleich mit der Verschmelzung er-
zeugt wird), theils die, welche Reihenfolgen bilden, wo-
rin die Reihen formen ihren Ursprung haben.
23. Was von mehrern Vorstellungen complicirt oder
verschmolzen ist, das ergiebt eine Totalkraft, und wirkt des-
halb nach ganz andern statischen und mechanischen Gesetzen,
als wornach die einzelnen Vorstellungen sich würden gerich-
tet haben. Auch die Schwellen des Bewußtseyns ändern
sich darnach, so daß, wegen einer Verbindung, auch eine
äußerst schwache Vorstellung im Bewußtseyn bleiben und da-
rin wirken kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-05T12:13:38Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-07-05T12:13:38Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup.
(2013-07-05T12:13:38Z)
Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/25>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.