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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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ihre metaphysischen Meinungen mit zu Hülfe nehmen, um
die Nothwendigkeit der Pflicht noch nothwendiger zu machen.
Deun Meinung allein kann hier in Betracht kommen, da
man vom metaphysischen Wissen die Gebundenheit aller
Menschen an die Pflicht wohl nicht wird abhangig machen
wollen. Auf diesem Wege dürfte am Ende wohl noch die
Ewigkeit der Höllenstrafen in die philosophische Moral zu-
rückkehren; eine gewiß wirksame, und mit gehöriger Er-
klärung und Einschränkung sogar aus psychologischen Grün-
den wahrscheinliche Meinung, wie man am Ende dieses Bu-
ches sehen wird. -- Eine Sittenlehre aber (die freylich nicht
schlaff seyn darf) muß ihre Schärfe in sich selbst haben.
Und diese Schärfe beruht nicht auf gewissen schneidenden
Ausdrücken vom unbedingten Sollen, u. dgl., sondern allein
auf der Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe von dem
Verwerflichen, gegenüber dem Löblichen. Unwiderstehlich ist
derjenige Tadel, der keine Ausrede gestattet; wenn aber
Jemand entschlossen ist, solchen Tadel zu ertragen, so wirkt
auf ihn keine Sittenlehre mehr, er ist ein Kranker, den
Leiden zur Heilung, das heißt, zur Buße bringen müssen.
Der Tadel thut das Seinige, wenn er die Leidenschaften
beschämt. Deutliche Auseinandersetzung der praktischen Jdeen,
die den letzten eigentlichen Gehalt und Sinn aller morali-
schen Vorschriften ausmachen, ist die beste Schärsung des
Gewissens.

234. Die wirkliche Selbstbeherrschung und die
Möglichkeit, daß der Mensch das ausführe, was er sich
anmuthet und anmuthen soll, -- beruhet im Allgemeinen auf
dem Zusammenwirken mehrerer Vorstellungsmassen. Hiebey
äußert besonders das allgemeine Wollen, wenn ein
solches sich schon gebildet hat (226), und alsdann hat es
allemal seinen Sitz in irgend einer Voistellungsmasse, --
eine große Gewalt, die man in jeder zweckmäßigen Thätig-

ihre metaphysischen Meinungen mit zu Hülfe nehmen, um
die Nothwendigkeit der Pflicht noch nothwendiger zu machen.
Deun Meinung allein kann hier in Betracht kommen, da
man vom metaphysischen Wissen die Gebundenheit aller
Menschen an die Pflicht wohl nicht wird abhangig machen
wollen. Auf diesem Wege dürfte am Ende wohl noch die
Ewigkeit der Höllenstrafen in die philosophische Moral zu-
rückkehren; eine gewiß wirksame, und mit gehöriger Er-
klärung und Einschränkung sogar aus psychologischen Grün-
den wahrscheinliche Meinung, wie man am Ende dieses Bu-
ches sehen wird. — Eine Sittenlehre aber (die freylich nicht
schlaff seyn darf) muß ihre Schärfe in sich selbst haben.
Und diese Schärfe beruht nicht auf gewissen schneidenden
Ausdrücken vom unbedingten Sollen, u. dgl., sondern allein
auf der Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe von dem
Verwerflichen, gegenüber dem Löblichen. Unwiderstehlich ist
derjenige Tadel, der keine Ausrede gestattet; wenn aber
Jemand entschlossen ist, solchen Tadel zu ertragen, so wirkt
auf ihn keine Sittenlehre mehr, er ist ein Kranker, den
Leiden zur Heilung, das heißt, zur Buße bringen müssen.
Der Tadel thut das Seinige, wenn er die Leidenschaften
beschämt. Deutliche Auseinandersetzung der praktischen Jdeen,
die den letzten eigentlichen Gehalt und Sinn aller morali-
schen Vorschriften ausmachen, ist die beste Schärsung des
Gewissens.

234. Die wirkliche Selbstbeherrschung und die
Möglichkeit, daß der Mensch das ausführe, was er sich
anmuthet und anmuthen soll, — beruhet im Allgemeinen auf
dem Zusammenwirken mehrerer Vorstellungsmassen. Hiebey
äußert besonders das allgemeine Wollen, wenn ein
solches sich schon gebildet hat (226), und alsdann hat es
allemal seinen Sitz in irgend einer Voistellungsmasse, —
eine große Gewalt, die man in jeder zweckmäßigen Thätig-

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[184/0192] ihre metaphysischen Meinungen mit zu Hülfe nehmen, um die Nothwendigkeit der Pflicht noch nothwendiger zu machen. Deun Meinung allein kann hier in Betracht kommen, da man vom metaphysischen Wissen die Gebundenheit aller Menschen an die Pflicht wohl nicht wird abhangig machen wollen. Auf diesem Wege dürfte am Ende wohl noch die Ewigkeit der Höllenstrafen in die philosophische Moral zu- rückkehren; eine gewiß wirksame, und mit gehöriger Er- klärung und Einschränkung sogar aus psychologischen Grün- den wahrscheinliche Meinung, wie man am Ende dieses Bu- ches sehen wird. — Eine Sittenlehre aber (die freylich nicht schlaff seyn darf) muß ihre Schärfe in sich selbst haben. Und diese Schärfe beruht nicht auf gewissen schneidenden Ausdrücken vom unbedingten Sollen, u. dgl., sondern allein auf der Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe von dem Verwerflichen, gegenüber dem Löblichen. Unwiderstehlich ist derjenige Tadel, der keine Ausrede gestattet; wenn aber Jemand entschlossen ist, solchen Tadel zu ertragen, so wirkt auf ihn keine Sittenlehre mehr, er ist ein Kranker, den Leiden zur Heilung, das heißt, zur Buße bringen müssen. Der Tadel thut das Seinige, wenn er die Leidenschaften beschämt. Deutliche Auseinandersetzung der praktischen Jdeen, die den letzten eigentlichen Gehalt und Sinn aller morali- schen Vorschriften ausmachen, ist die beste Schärsung des Gewissens. 234. Die wirkliche Selbstbeherrschung und die Möglichkeit, daß der Mensch das ausführe, was er sich anmuthet und anmuthen soll, — beruhet im Allgemeinen auf dem Zusammenwirken mehrerer Vorstellungsmassen. Hiebey äußert besonders das allgemeine Wollen, wenn ein solches sich schon gebildet hat (226), und alsdann hat es allemal seinen Sitz in irgend einer Voistellungsmasse, — eine große Gewalt, die man in jeder zweckmäßigen Thätig-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/192>, abgerufen am 22.11.2024.