nen Jnhalt verloren; und hier eröffnet sich ein
metaphysi- scher Abgrund, die Frage nach der Substanz als
nach ei- nem unbekannten Etwas, dessen Voraussetzung um st noth- wendiger
ist, da es nicht bloß dasjenige Subject seyn soll, welches nie Prädicat wird (während wirk- lich die Urtheile ihr Subject in lauter Prädicate verwandelt haben), sondern
auch das Beharrliche, welches in al- lem Wechsel sich selbst
gleich bleibt (während in der That die Complexion, die für das Ding (in
der Sin- nenwelt) gilt, nicht bloß simultane, sondern auch successive Merkmale hat, und folglich keinesweges sich selbst gleich
ist).
196. Die Widersprüche im Begriffe des Dinges mit mehrern Merkmalen, und in der
Veränderung, sind be- kannt (Lehrb. zur Einleit. in d. Philos. §. 101 -- 113).
Hier haben wir nur zu erklären, wie es zugehe, daß der gemeine Verstand
diese Widersprüche nicht merkt. Der ein- fache Aufschluß hierüber ist dieser:
Gerade die Einheit, wel- che der Metaphysiker beym Anfange seiner Untersuchung
vermißt, und deren er wegen der Form der Erfahrung be- darf, während die
Materie eben der nämlichen Erfah- rung (das Viele der
simultanen, und der Gegensatz der successiven Merkmale) sie ihm.nicht gestattet,
-- diese Ein- heit besitzt der psychische Mechanismus ursprünglich und ganz
von selbst. Um ein sinnliches Ding vorzustellen, da- zu brauchen wir keinesweges
so viele Vorstellungen als sinn- liche Merkmale, sondern die Einheit des Acts im
Vorstel- len, welche eben die Natur der Complexionen ausmacht, läßt bey dem
gemeinen Verstande gar keine Frage aufkom- men nach der Einheit im Vorgestellten.
Diese Frage nur zu verstehen, ist und bleibt den Menschen noch immer schwer,
selbst nachdem die Urtheile schon längst die Complexionen
nen Jnhalt verloren; und hier eröffnet sich ein
metaphysi- scher Abgrund, die Frage nach der Substanz als
nach ei- nem unbekannten Etwas, dessen Voraussetzung um st noth- wendiger
ist, da es nicht bloß dasjenige Subject seyn soll, welches nie Prädicat wird (während wirk- lich die Urtheile ihr Subject in lauter Prädicate verwandelt haben), sondern
auch das Beharrliche, welches in al- lem Wechsel sich selbst
gleich bleibt (während in der That die Complexion, die für das Ding (in
der Sin- nenwelt) gilt, nicht bloß simultane, sondern auch successive Merkmale hat, und folglich keinesweges sich selbst gleich
ist).
196. Die Widersprüche im Begriffe des Dinges mit mehrern Merkmalen, und in der
Veränderung, sind be- kannt (Lehrb. zur Einleit. in d. Philos. §. 101 — 113).
Hier haben wir nur zu erklären, wie es zugehe, daß der gemeine Verstand
diese Widersprüche nicht merkt. Der ein- fache Aufschluß hierüber ist dieser:
Gerade die Einheit, wel- che der Metaphysiker beym Anfange seiner Untersuchung
vermißt, und deren er wegen der Form der Erfahrung be- darf, während die
Materie eben der nämlichen Erfah- rung (das Viele der
simultanen, und der Gegensatz der successiven Merkmale) sie ihm.nicht gestattet,
— diese Ein- heit besitzt der psychische Mechanismus ursprünglich und ganz
von selbst. Um ein sinnliches Ding vorzustellen, da- zu brauchen wir keinesweges
so viele Vorstellungen als sinn- liche Merkmale, sondern die Einheit des Acts im
Vorstel- len, welche eben die Natur der Complexionen ausmacht, läßt bey dem
gemeinen Verstande gar keine Frage aufkom- men nach der Einheit im Vorgestellten.
Diese Frage nur zu verstehen, ist und bleibt den Menschen noch immer schwer,
selbst nachdem die Urtheile schon längst die Complexionen
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[155/0163]
nen Jnhalt verloren; und hier eröffnet sich ein metaphysi-
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nem unbekannten Etwas, dessen Voraussetzung um st noth-
wendiger ist, da es nicht bloß dasjenige Subject
seyn soll, welches nie Prädicat wird (während wirk-
lich die Urtheile ihr Subject in lauter Prädicate verwandelt
haben), sondern auch das Beharrliche, welches in al-
lem Wechsel sich selbst gleich bleibt (während in
der That die Complexion, die für das Ding (in der Sin-
nenwelt) gilt, nicht bloß simultane, sondern auch successive
Merkmale hat, und folglich keinesweges sich selbst gleich
ist).
196. Die Widersprüche im Begriffe des Dinges mit
mehrern Merkmalen, und in der Veränderung, sind be-
kannt (Lehrb. zur Einleit. in d. Philos. §. 101 — 113).
Hier haben wir nur zu erklären, wie es zugehe, daß der
gemeine Verstand diese Widersprüche nicht merkt. Der ein-
fache Aufschluß hierüber ist dieser: Gerade die Einheit, wel-
che der Metaphysiker beym Anfange seiner Untersuchung
vermißt, und deren er wegen der Form der Erfahrung be-
darf, während die Materie eben der nämlichen Erfah-
rung (das Viele der simultanen, und der Gegensatz der
successiven Merkmale) sie ihm.nicht gestattet, — diese Ein-
heit besitzt der psychische Mechanismus ursprünglich und
ganz von selbst. Um ein sinnliches Ding vorzustellen, da-
zu brauchen wir keinesweges so viele Vorstellungen als sinn-
liche Merkmale, sondern die Einheit des Acts im Vorstel-
len, welche eben die Natur der Complexionen ausmacht,
läßt bey dem gemeinen Verstande gar keine Frage aufkom-
men nach der Einheit im Vorgestellten. Diese Frage nur
zu verstehen, ist und bleibt den Menschen noch immer schwer,
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/163>, abgerufen am 02.08.2024.
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