vielmehr nimmt die Menge derselben und ihre Jnnigkeit
immer zu. Aber eines Theils wächst mit ihnen auch die Menge der
Unterscheidungen (nach 189): andern Theils giebt es mehr häufige räumliche Trennungen dessen, was Anfangs beysammen gesehen
(oder überhaupt wahrge- nommen) wurde. Denn die Dinge bewegen sich, und da- durch hauptsächlich zerreißt die Umgebung; auf diese Weise erst entsteht für das
menschliche Vorstellen eine Mehrheit von Dingen. -- Anfangs scheint der Tisch mit dem Fuß- boten Eins, sowohl wie
die Tischplatte mit den Tischfüßen; der Tisch aber wird von der Stelle gerückt,
während die Platte sich von den Füßen nicht trennt. Was sich nicht von
einander entfernt, das behält im Vorstellen seine ur- sprüngliche Einheit.
195. Wie nun die Umgebungen allmählig in einzelne Dinge zerlegt werden, so die
Dinge wiederum in ihre Merk- male (191). Fragt man hier: welchem Subjecte denn eigentlich die Merkmale beygelegt werden? so ist
die Antwort: das Subject ist immer die ganze Comple- xion eben dieser Merkmale, in wiefern der psy- chische Mechanismus dieselben in
einem einzi- gen, ungetheilten Actus vorstellt. Dabey ist gar keine
Schwierigkeit, so lange nicht alle die Urtheile beysammen
sind, durch welche einem und dem- selben Dinge alle seine Merkmale
zugeschrieben werden.
Allein wenn einmal (was bey den meisten Menschen niemals geschieht) das Denken
diesen Grad der Reihe er- langt, alsdann ändert sich die Sache. Die Urtheile
haben nun die Complexion ganz aufgelöst, und die Merkmale der- selben als ein Vieles auseinandergebreitet; dabey wird nun noch
immer Eins vorausgesetzt, als das Sub- ject für die vielen Prädicate. Aber dieser
Begriff hat sei-
vielmehr nimmt die Menge derselben und ihre Jnnigkeit
immer zu. Aber eines Theils wächst mit ihnen auch die Menge der
Unterscheidungen (nach 189): andern Theils giebt es mehr häufige räumliche Trennungen dessen, was Anfangs beysammen gesehen
(oder überhaupt wahrge- nommen) wurde. Denn die Dinge bewegen sich, und da- durch hauptsächlich zerreißt die Umgebung; auf diese Weise erst entsteht für das
menschliche Vorstellen eine Mehrheit von Dingen. — Anfangs scheint der Tisch mit dem Fuß- boten Eins, sowohl wie
die Tischplatte mit den Tischfüßen; der Tisch aber wird von der Stelle gerückt,
während die Platte sich von den Füßen nicht trennt. Was sich nicht von
einander entfernt, das behält im Vorstellen seine ur- sprüngliche Einheit.
195. Wie nun die Umgebungen allmählig in einzelne Dinge zerlegt werden, so die
Dinge wiederum in ihre Merk- male (191). Fragt man hier: welchem Subjecte denn eigentlich die Merkmale beygelegt werden? so ist
die Antwort: das Subject ist immer die ganze Comple- xion eben dieser Merkmale, in wiefern der psy- chische Mechanismus dieselben in
einem einzi- gen, ungetheilten Actus vorstellt. Dabey ist gar keine
Schwierigkeit, so lange nicht alle die Urtheile beysammen
sind, durch welche einem und dem- selben Dinge alle seine Merkmale
zugeschrieben werden.
Allein wenn einmal (was bey den meisten Menschen niemals geschieht) das Denken
diesen Grad der Reihe er- langt, alsdann ändert sich die Sache. Die Urtheile
haben nun die Complexion ganz aufgelöst, und die Merkmale der- selben als ein Vieles auseinandergebreitet; dabey wird nun noch
immer Eins vorausgesetzt, als das Sub- ject für die vielen Prädicate. Aber dieser
Begriff hat sei-
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[154/0162]
vielmehr nimmt die Menge derselben und ihre Jnnigkeit
immer zu. Aber eines Theils wächst mit ihnen auch die
Menge der Unterscheidungen (nach 189): andern Theils
giebt es mehr häufige räumliche Trennungen dessen,
was Anfangs beysammen gesehen (oder überhaupt wahrge-
nommen) wurde. Denn die Dinge bewegen sich, und da-
durch hauptsächlich zerreißt die Umgebung; auf diese Weise
erst entsteht für das menschliche Vorstellen eine Mehrheit
von Dingen. — Anfangs scheint der Tisch mit dem Fuß-
boten Eins, sowohl wie die Tischplatte mit den Tischfüßen;
der Tisch aber wird von der Stelle gerückt, während die
Platte sich von den Füßen nicht trennt. Was sich nicht
von einander entfernt, das behält im Vorstellen seine ur-
sprüngliche Einheit.
195. Wie nun die Umgebungen allmählig in einzelne
Dinge zerlegt werden, so die Dinge wiederum in ihre Merk-
male (191). Fragt man hier: welchem Subjecte denn
eigentlich die Merkmale beygelegt werden? so ist
die Antwort: das Subject ist immer die ganze Comple-
xion eben dieser Merkmale, in wiefern der psy-
chische Mechanismus dieselben in einem einzi-
gen, ungetheilten Actus vorstellt. Dabey ist gar
keine Schwierigkeit, so lange nicht alle die Urtheile
beysammen sind, durch welche einem und dem-
selben Dinge alle seine Merkmale zugeschrieben
werden.
Allein wenn einmal (was bey den meisten Menschen
niemals geschieht) das Denken diesen Grad der Reihe er-
langt, alsdann ändert sich die Sache. Die Urtheile haben
nun die Complexion ganz aufgelöst, und die Merkmale der-
selben als ein Vieles auseinandergebreitet; dabey
wird nun noch immer Eins vorausgesetzt, als das Sub-
ject für die vielen Prädicate. Aber dieser Begriff hat sei-
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Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup.
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/162>, abgerufen am 02.08.2024.
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