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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Nähe oder Entfernung der Menschen am auffallendsten
ist. So gewiss, wie das Zusammenwirken der Vorstel-
lungen im Bewusstseyn, ereignet es sich niemals. Und
man muss deshalb darauf gefasst seyn, die Resultate nach
den Umständen mannigfaltig beschränkt zu finden.

Auch der Hemmungsgrad ist hier sehr veränderlich.
Und wo physische Gewalt ins Spiel kommt, da geht die
Hemmung nicht bloss bis zur Unterdrückung, sondern
manchmal bis zur Vernichtung der Kraft. Alles dies hat
Einfluss; aber indem man sich vorbehält, denselben in
Abrechnung zu bringen, kann man dennoch im Allge-
meinen die Statik des Geistes auch dann zur Grundlage
der Betrachtung machen, wann es darauf ankommt, das
Gleichgewicht in der Gesellschaft zu bestimmen. Man
lernt dadurch wenigstens beobachten, wenn sich auch
sehr wenig a priori erkennen lässt; man lernt fragen;
und die Erfahrung wird antworten.

Wir nehmen also an, dass unter zusammenlebenden
Menschen dieselben Verhältnisse eintreten, die nach dem
Obigen unter Vorstellungen in Einem Bewusstseyn statt
finden. Wir untersuchen die Folgen der gegenseitigen
Hemmung.

Diese Hypothese ist von dem bekannten bellum
omnium contra omnes
eben so weit entfernt, als von ih-
rem Gegenstücke, dem ursprünglichen Gesellschafts-Ver-
trage. Man wird die Resultate am leichtesten finden,
wenn man die Menschen nicht mehr ganz einzeln ste-
hend, sondern durch die natürliche Geselligkeit schon
in verschiedene, grössere und kleinere Gruppen vereinigt,
annimmt. Alsdann werden viele, sehr ungleiche Kräfte
in Conflict gerathen. Doch eben dies findet, wiewohl
nicht in dem Grade, auch schon da statt, wo leibliche
und geistliche Anlagen, Vortheile und Beschwerden des
verschiedenen Lebensalters, des Geschlechts, der Glücks-
umstände, vorhanden sind.

Das Erste nun, was dem Leser einfallen wird, sind
die bekannten Schwellen des Bewusstseyns; die

II. B

Nähe oder Entfernung der Menschen am auffallendsten
ist. So gewiſs, wie das Zusammenwirken der Vorstel-
lungen im Bewuſstseyn, ereignet es sich niemals. Und
man muſs deshalb darauf gefaſst seyn, die Resultate nach
den Umständen mannigfaltig beschränkt zu finden.

Auch der Hemmungsgrad ist hier sehr veränderlich.
Und wo physische Gewalt ins Spiel kommt, da geht die
Hemmung nicht bloſs bis zur Unterdrückung, sondern
manchmal bis zur Vernichtung der Kraft. Alles dies hat
Einfluſs; aber indem man sich vorbehält, denselben in
Abrechnung zu bringen, kann man dennoch im Allge-
meinen die Statik des Geistes auch dann zur Grundlage
der Betrachtung machen, wann es darauf ankommt, das
Gleichgewicht in der Gesellschaft zu bestimmen. Man
lernt dadurch wenigstens beobachten, wenn sich auch
sehr wenig a priori erkennen läſst; man lernt fragen;
und die Erfahrung wird antworten.

Wir nehmen also an, daſs unter zusammenlebenden
Menschen dieselben Verhältnisse eintreten, die nach dem
Obigen unter Vorstellungen in Einem Bewuſstseyn statt
finden. Wir untersuchen die Folgen der gegenseitigen
Hemmung.

Diese Hypothese ist von dem bekannten bellum
omnium contra omnes
eben so weit entfernt, als von ih-
rem Gegenstücke, dem ursprünglichen Gesellschafts-Ver-
trage. Man wird die Resultate am leichtesten finden,
wenn man die Menschen nicht mehr ganz einzeln ste-
hend, sondern durch die natürliche Geselligkeit schon
in verschiedene, gröſsere und kleinere Gruppen vereinigt,
annimmt. Alsdann werden viele, sehr ungleiche Kräfte
in Conflict gerathen. Doch eben dies findet, wiewohl
nicht in dem Grade, auch schon da statt, wo leibliche
und geistliche Anlagen, Vortheile und Beschwerden des
verschiedenen Lebensalters, des Geschlechts, der Glücks-
umstände, vorhanden sind.

Das Erste nun, was dem Leser einfallen wird, sind
die bekannten Schwellen des Bewuſstseyns; die

II. B
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[17/0052] Nähe oder Entfernung der Menschen am auffallendsten ist. So gewiſs, wie das Zusammenwirken der Vorstel- lungen im Bewuſstseyn, ereignet es sich niemals. Und man muſs deshalb darauf gefaſst seyn, die Resultate nach den Umständen mannigfaltig beschränkt zu finden. Auch der Hemmungsgrad ist hier sehr veränderlich. Und wo physische Gewalt ins Spiel kommt, da geht die Hemmung nicht bloſs bis zur Unterdrückung, sondern manchmal bis zur Vernichtung der Kraft. Alles dies hat Einfluſs; aber indem man sich vorbehält, denselben in Abrechnung zu bringen, kann man dennoch im Allge- meinen die Statik des Geistes auch dann zur Grundlage der Betrachtung machen, wann es darauf ankommt, das Gleichgewicht in der Gesellschaft zu bestimmen. Man lernt dadurch wenigstens beobachten, wenn sich auch sehr wenig a priori erkennen läſst; man lernt fragen; und die Erfahrung wird antworten. Wir nehmen also an, daſs unter zusammenlebenden Menschen dieselben Verhältnisse eintreten, die nach dem Obigen unter Vorstellungen in Einem Bewuſstseyn statt finden. Wir untersuchen die Folgen der gegenseitigen Hemmung. Diese Hypothese ist von dem bekannten bellum omnium contra omnes eben so weit entfernt, als von ih- rem Gegenstücke, dem ursprünglichen Gesellschafts-Ver- trage. Man wird die Resultate am leichtesten finden, wenn man die Menschen nicht mehr ganz einzeln ste- hend, sondern durch die natürliche Geselligkeit schon in verschiedene, gröſsere und kleinere Gruppen vereinigt, annimmt. Alsdann werden viele, sehr ungleiche Kräfte in Conflict gerathen. Doch eben dies findet, wiewohl nicht in dem Grade, auch schon da statt, wo leibliche und geistliche Anlagen, Vortheile und Beschwerden des verschiedenen Lebensalters, des Geschlechts, der Glücks- umstände, vorhanden sind. Das Erste nun, was dem Leser einfallen wird, sind die bekannten Schwellen des Bewuſstseyns; die II. B

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/52>, abgerufen am 25.11.2024.