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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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tabilischen Theilen, ein Ueberfluss an solcher, zwar form-
losen, aber dennoch innerlich gebildeten Materie vorhan-
den ist, welche das Streben nach Erneuerung ihrer alten
Lebensverhältnisse in sich trägt, und bey jeder Gelegen-
heit, wo einige dergleichen Elemente unter günstigen Um-
ständen zusammentreffen, irgend eine organische Gestalt
annimmt, als Nothbehelf, weil die vollkommnere Organi-
sation dasmal nicht zu Stande kommen kann. So ist es
zu erwarten; und nur die nähern Bestimmungen, wie weit
unter gegebenen Umständen jenes Streben sich befriedi-
gen könne, muss man aus der Erfahrung lernen. Aber
dies passt im geringsten nicht auf die Urzeit, da nur
eben erst der Granit und die ältesten Thongebirge sich
gebildet hatten. Damals konnten die Zoophyten nicht
wie jetzt, als Producte schon gebildeter Materie, entstehn!
Damals mochten sie entstehen aus was immer für einem
Grunde: so konnte, nach ihrem Untergange, die nun
durch sie
gebildete Materie zwar wohl streben, aber-
mals in die Gestalt von Zoophyten zurückzukehren, allein
sie war nicht aufgelegt für irgend ein höheres Lebensver-
hältniss. Brauchbarer freylich war sie dazu geworden;
wenn etwan eine höhere Kraft hinzukam, welche Gele-
genheiten veranstaltete, wo die schon gewonnene Bildung
durch neue Störungen und Selbsterhaltungen einen Zu-
satz erlangen mochte. Und so bedurfte jeder höhere
Grad von Bildung immer neuer Anstalten; niemals konnte
der eben vorhandene Grad, und die vorhandene Art der
innern Zustände irgend eines Elements, sich selbst über-
steigen. Dass alles stufenweise fortgebildet sey, das
mag man aus der Naturgeschichte der Erde, wie sie sich
dem Mineralogen darstellt, immerhin schliessen; man mag
auch annehmen, dass gute Ursachen diesen Stufengang
bestimmt haben. Aber bey dem: es habe sich selbst
stufenweise gebildet
, wenn man es genau nimmt,
kommen alle Ungereimtheiten falscher Metaphysik, deren
Nest eben das absolute Werden ist, wieder zum Vor-
schein. Unsre Erd-Oberfläche muss unter dem Einflusse

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tabilischen Theilen, ein Ueberfluſs an solcher, zwar form-
losen, aber dennoch innerlich gebildeten Materie vorhan-
den ist, welche das Streben nach Erneuerung ihrer alten
Lebensverhältnisse in sich trägt, und bey jeder Gelegen-
heit, wo einige dergleichen Elemente unter günstigen Um-
ständen zusammentreffen, irgend eine organische Gestalt
annimmt, als Nothbehelf, weil die vollkommnere Organi-
sation dasmal nicht zu Stande kommen kann. So ist es
zu erwarten; und nur die nähern Bestimmungen, wie weit
unter gegebenen Umständen jenes Streben sich befriedi-
gen könne, muſs man aus der Erfahrung lernen. Aber
dies paſst im geringsten nicht auf die Urzeit, da nur
eben erst der Granit und die ältesten Thongebirge sich
gebildet hatten. Damals konnten die Zoophyten nicht
wie jetzt, als Producte schon gebildeter Materie, entstehn!
Damals mochten sie entstehen aus was immer für einem
Grunde: so konnte, nach ihrem Untergange, die nun
durch sie
gebildete Materie zwar wohl streben, aber-
mals in die Gestalt von Zoophyten zurückzukehren, allein
sie war nicht aufgelegt für irgend ein höheres Lebensver-
hältniſs. Brauchbarer freylich war sie dazu geworden;
wenn etwan eine höhere Kraft hinzukam, welche Gele-
genheiten veranstaltete, wo die schon gewonnene Bildung
durch neue Störungen und Selbsterhaltungen einen Zu-
satz erlangen mochte. Und so bedurfte jeder höhere
Grad von Bildung immer neuer Anstalten; niemals konnte
der eben vorhandene Grad, und die vorhandene Art der
innern Zustände irgend eines Elements, sich selbst über-
steigen. Daſs alles stufenweise fortgebildet sey, das
mag man aus der Naturgeschichte der Erde, wie sie sich
dem Mineralogen darstellt, immerhin schlieſsen; man mag
auch annehmen, daſs gute Ursachen diesen Stufengang
bestimmt haben. Aber bey dem: es habe sich selbst
stufenweise gebildet
, wenn man es genau nimmt,
kommen alle Ungereimtheiten falscher Metaphysik, deren
Nest eben das absolute Werden ist, wieder zum Vor-
schein. Unsre Erd-Oberfläche muſs unter dem Einflusse

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[483/0518] tabilischen Theilen, ein Ueberfluſs an solcher, zwar form- losen, aber dennoch innerlich gebildeten Materie vorhan- den ist, welche das Streben nach Erneuerung ihrer alten Lebensverhältnisse in sich trägt, und bey jeder Gelegen- heit, wo einige dergleichen Elemente unter günstigen Um- ständen zusammentreffen, irgend eine organische Gestalt annimmt, als Nothbehelf, weil die vollkommnere Organi- sation dasmal nicht zu Stande kommen kann. So ist es zu erwarten; und nur die nähern Bestimmungen, wie weit unter gegebenen Umständen jenes Streben sich befriedi- gen könne, muſs man aus der Erfahrung lernen. Aber dies paſst im geringsten nicht auf die Urzeit, da nur eben erst der Granit und die ältesten Thongebirge sich gebildet hatten. Damals konnten die Zoophyten nicht wie jetzt, als Producte schon gebildeter Materie, entstehn! Damals mochten sie entstehen aus was immer für einem Grunde: so konnte, nach ihrem Untergange, die nun durch sie gebildete Materie zwar wohl streben, aber- mals in die Gestalt von Zoophyten zurückzukehren, allein sie war nicht aufgelegt für irgend ein höheres Lebensver- hältniſs. Brauchbarer freylich war sie dazu geworden; wenn etwan eine höhere Kraft hinzukam, welche Gele- genheiten veranstaltete, wo die schon gewonnene Bildung durch neue Störungen und Selbsterhaltungen einen Zu- satz erlangen mochte. Und so bedurfte jeder höhere Grad von Bildung immer neuer Anstalten; niemals konnte der eben vorhandene Grad, und die vorhandene Art der innern Zustände irgend eines Elements, sich selbst über- steigen. Daſs alles stufenweise fortgebildet sey, das mag man aus der Naturgeschichte der Erde, wie sie sich dem Mineralogen darstellt, immerhin schlieſsen; man mag auch annehmen, daſs gute Ursachen diesen Stufengang bestimmt haben. Aber bey dem: es habe sich selbst stufenweise gebildet, wenn man es genau nimmt, kommen alle Ungereimtheiten falscher Metaphysik, deren Nest eben das absolute Werden ist, wieder zum Vor- schein. Unsre Erd-Oberfläche muſs unter dem Einflusse H h 2

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/518>, abgerufen am 22.11.2024.