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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Naturphilosophen angeführt. Die Irrthümer, welche die
Classe der letztern verbreitet, kommen nicht alle aus dem
Philosophiren, sie haben eine weitere Sphäre, und man
findet deren überall da, wo die Meinung schneller forteilt,
als das besonnene Denken nachfolgen kann.

Ich kann nicht hier, gegen das Ende eines psycho-
logischen Werks, entwickeln, was in die ersten Vorbe-
reitungen zur Metaphysik gehört*), nämlich die gänzliche
Unstatthaftigkeit des absoluten Werden, also auch der
vorgeblich in der Natur der Dinge ursprünglich liegenden
Entwickelung, Veredelung und Degeneration. Diese für
alles Wissen ohne Ausnahme zerstörenden Irrthümer
muss man kennen gelernt, und von sich geworfen haben,
ehe man mit irgend einer soliden Forschung die nur im
geringsten über das Gebiet der reinen und strengen Em-
pirie sich erheben will, den Anfang machen kann.

Jene aber, die lieber eine Menge von Thatsachen
zusammenreimen, wie sie eben können, als einen einzi-
gen von den zur Naturbetrachtung unentbehrlichen Grund-
begriffen sich gehörig aufklären wollen, -- sollten denn
wenigstens bedenken, welche unermessliche Kluft zwischen
je zwey nächsten organischen Bildungen bevestigt ist, de-
ren eine vorgeblicher Weise aus der andern entstehen
soll. Zwar die Einbildungskraft überfliegt diese Kluft, sie
findet das Pferd und den Elephanten, den Affen und den
Menschen nicht so gar sehr verschieden. Und wenn die
Natur sich ähnlichen Tanz erlaubte, wie die Phantasie,
so würde eins aus dem andern ohne Mühe entstehn kön-
nen, durch Veredelung und durch Degeneration! Warum
entsteht denn niemals aus einer geraden Richtung des
bewegten Körpers eine krummlinigte, ausser durch ein-
wirkende Kräfte? und genau gemäss diesen Kräften?
Darum, weil die Natur sich selbst überall getreu ist

*) In die Einleitung zur Philosophie. Man kann in meinem
Lehrbuche zu derselben vergleichen die §§. 108., 113., 118.; besser
den ganzen vierten Abschnitt.
II. H h

Naturphilosophen angeführt. Die Irrthümer, welche die
Classe der letztern verbreitet, kommen nicht alle aus dem
Philosophiren, sie haben eine weitere Sphäre, und man
findet deren überall da, wo die Meinung schneller forteilt,
als das besonnene Denken nachfolgen kann.

Ich kann nicht hier, gegen das Ende eines psycho-
logischen Werks, entwickeln, was in die ersten Vorbe-
reitungen zur Metaphysik gehört*), nämlich die gänzliche
Unstatthaftigkeit des absoluten Werden, also auch der
vorgeblich in der Natur der Dinge ursprünglich liegenden
Entwickelung, Veredelung und Degeneration. Diese für
alles Wissen ohne Ausnahme zerstörenden Irrthümer
muſs man kennen gelernt, und von sich geworfen haben,
ehe man mit irgend einer soliden Forschung die nur im
geringsten über das Gebiet der reinen und strengen Em-
pirie sich erheben will, den Anfang machen kann.

Jene aber, die lieber eine Menge von Thatsachen
zusammenreimen, wie sie eben können, als einen einzi-
gen von den zur Naturbetrachtung unentbehrlichen Grund-
begriffen sich gehörig aufklären wollen, — sollten denn
wenigstens bedenken, welche unermeſsliche Kluft zwischen
je zwey nächsten organischen Bildungen bevestigt ist, de-
ren eine vorgeblicher Weise aus der andern entstehen
soll. Zwar die Einbildungskraft überfliegt diese Kluft, sie
findet das Pferd und den Elephanten, den Affen und den
Menschen nicht so gar sehr verschieden. Und wenn die
Natur sich ähnlichen Tanz erlaubte, wie die Phantasie,
so würde eins aus dem andern ohne Mühe entstehn kön-
nen, durch Veredelung und durch Degeneration! Warum
entsteht denn niemals aus einer geraden Richtung des
bewegten Körpers eine krummlinigte, auſser durch ein-
wirkende Kräfte? und genau gemäſs diesen Kräften?
Darum, weil die Natur sich selbst überall getreu ist

*) In die Einleitung zur Philosophie. Man kann in meinem
Lehrbuche zu derselben vergleichen die §§. 108., 113., 118.; besser
den ganzen vierten Abschnitt.
II. H h
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[481/0516] Naturphilosophen angeführt. Die Irrthümer, welche die Classe der letztern verbreitet, kommen nicht alle aus dem Philosophiren, sie haben eine weitere Sphäre, und man findet deren überall da, wo die Meinung schneller forteilt, als das besonnene Denken nachfolgen kann. Ich kann nicht hier, gegen das Ende eines psycho- logischen Werks, entwickeln, was in die ersten Vorbe- reitungen zur Metaphysik gehört *), nämlich die gänzliche Unstatthaftigkeit des absoluten Werden, also auch der vorgeblich in der Natur der Dinge ursprünglich liegenden Entwickelung, Veredelung und Degeneration. Diese für alles Wissen ohne Ausnahme zerstörenden Irrthümer muſs man kennen gelernt, und von sich geworfen haben, ehe man mit irgend einer soliden Forschung die nur im geringsten über das Gebiet der reinen und strengen Em- pirie sich erheben will, den Anfang machen kann. Jene aber, die lieber eine Menge von Thatsachen zusammenreimen, wie sie eben können, als einen einzi- gen von den zur Naturbetrachtung unentbehrlichen Grund- begriffen sich gehörig aufklären wollen, — sollten denn wenigstens bedenken, welche unermeſsliche Kluft zwischen je zwey nächsten organischen Bildungen bevestigt ist, de- ren eine vorgeblicher Weise aus der andern entstehen soll. Zwar die Einbildungskraft überfliegt diese Kluft, sie findet das Pferd und den Elephanten, den Affen und den Menschen nicht so gar sehr verschieden. Und wenn die Natur sich ähnlichen Tanz erlaubte, wie die Phantasie, so würde eins aus dem andern ohne Mühe entstehn kön- nen, durch Veredelung und durch Degeneration! Warum entsteht denn niemals aus einer geraden Richtung des bewegten Körpers eine krummlinigte, auſser durch ein- wirkende Kräfte? und genau gemäſs diesen Kräften? Darum, weil die Natur sich selbst überall getreu ist *) In die Einleitung zur Philosophie. Man kann in meinem Lehrbuche zu derselben vergleichen die §§. 108., 113., 118.; besser den ganzen vierten Abschnitt. II. H h

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/516>, abgerufen am 22.11.2024.