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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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der Zaubersprüche, der sympathetischen Curen, der von
Wundermännern verrichteten Gebete (denn auch bey
den eingebildeten Wirkungen wird der Causalbegriff
im Denken gebraucht,) alle von einerley Art seyen? Oder
ob etwan die Vermuthung zulässig sey, die Unterschiede
dieser Arten lägen in Verschiedenheiten des Zeitmaa-
sses
, in welchem die Erscheinungen einander folgen?
Wenn nicht: woran will man denn die verschiedenen
Bestimmungen anbringen, die in allen diesen, und un-
zähligen andern Fällen, der Causalbegriff doch annimmt,
und wofür er demnach empfänglich seyn muss --?

Hier überlasse ich den Leser sich selbst; und wün-
sche ihm, dass er über die Bestimmbarkeit allgemeiner
Begriffe, die an der Spitze gewisser Theorien gebraucht
werden, weiter nachdenken möge; denn dies ist der ge-
meinhin vernachlässigte Punct, wovon alle Geschmeidig-
keit, das heisst eigentlich, alle Brauchbarkeit der
Theorien abhängt.

Mein Weg geht weiter zu Kants Lehre von der
Wechselwirkung.

"Zugleich, (sagt Kant,) sind Dinge, wenn in der
empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen
auf die Wahrnehmung des andern wechselseitig fol-
gen kann."

Bey dieser, durchaus falschen, Erklärung, müssen
wir sogleich stehn bleiben. Die allereinfachsten Thatsa-
chen decken hier einen, nur gar zu folgenreichen Mis-
griff auf.

Kant hatte von der Folge in der Zeit geredet, und
diese wenigstens mit Recht nicht an Substanzen, nicht
an Dinge, sondern an Zustände, an veränderliche Merk-
male der Dinge geknüpft. Das Zugleichseyn ist eine an-
dere Bestimmung in Hinsicht der Zeit; aber das Zeitli-
che, welches sich dieser abgeänderten Bestimmung un-
terwerfen sollte, musste das Nämliche bleiben wie zuvor;
sonst hing die Rede nicht zusammen. Wir sollten vor-
her lernen, wodurch das Nacheinander der Erscheinun-

der Zaubersprüche, der sympathetischen Curen, der von
Wundermännern verrichteten Gebete (denn auch bey
den eingebildeten Wirkungen wird der Causalbegriff
im Denken gebraucht,) alle von einerley Art seyen? Oder
ob etwan die Vermuthung zulässig sey, die Unterschiede
dieser Arten lägen in Verschiedenheiten des Zeitmaa-
ſses
, in welchem die Erscheinungen einander folgen?
Wenn nicht: woran will man denn die verschiedenen
Bestimmungen anbringen, die in allen diesen, und un-
zähligen andern Fällen, der Causalbegriff doch annimmt,
und wofür er demnach empfänglich seyn muſs —?

Hier überlasse ich den Leser sich selbst; und wün-
sche ihm, daſs er über die Bestimmbarkeit allgemeiner
Begriffe, die an der Spitze gewisser Theorien gebraucht
werden, weiter nachdenken möge; denn dies ist der ge-
meinhin vernachlässigte Punct, wovon alle Geschmeidig-
keit, das heiſst eigentlich, alle Brauchbarkeit der
Theorien abhängt.

Mein Weg geht weiter zu Kants Lehre von der
Wechselwirkung.

„Zugleich, (sagt Kant,) sind Dinge, wenn in der
empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen
auf die Wahrnehmung des andern wechselseitig fol-
gen kann.“

Bey dieser, durchaus falschen, Erklärung, müssen
wir sogleich stehn bleiben. Die allereinfachsten Thatsa-
chen decken hier einen, nur gar zu folgenreichen Mis-
griff auf.

Kant hatte von der Folge in der Zeit geredet, und
diese wenigstens mit Recht nicht an Substanzen, nicht
an Dinge, sondern an Zustände, an veränderliche Merk-
male der Dinge geknüpft. Das Zugleichseyn ist eine an-
dere Bestimmung in Hinsicht der Zeit; aber das Zeitli-
che, welches sich dieser abgeänderten Bestimmung un-
terwerfen sollte, muſste das Nämliche bleiben wie zuvor;
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[340/0375] der Zaubersprüche, der sympathetischen Curen, der von Wundermännern verrichteten Gebete (denn auch bey den eingebildeten Wirkungen wird der Causalbegriff im Denken gebraucht,) alle von einerley Art seyen? Oder ob etwan die Vermuthung zulässig sey, die Unterschiede dieser Arten lägen in Verschiedenheiten des Zeitmaa- ſses, in welchem die Erscheinungen einander folgen? Wenn nicht: woran will man denn die verschiedenen Bestimmungen anbringen, die in allen diesen, und un- zähligen andern Fällen, der Causalbegriff doch annimmt, und wofür er demnach empfänglich seyn muſs —? Hier überlasse ich den Leser sich selbst; und wün- sche ihm, daſs er über die Bestimmbarkeit allgemeiner Begriffe, die an der Spitze gewisser Theorien gebraucht werden, weiter nachdenken möge; denn dies ist der ge- meinhin vernachlässigte Punct, wovon alle Geschmeidig- keit, das heiſst eigentlich, alle Brauchbarkeit der Theorien abhängt. Mein Weg geht weiter zu Kants Lehre von der Wechselwirkung. „Zugleich, (sagt Kant,) sind Dinge, wenn in der empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen auf die Wahrnehmung des andern wechselseitig fol- gen kann.“ Bey dieser, durchaus falschen, Erklärung, müssen wir sogleich stehn bleiben. Die allereinfachsten Thatsa- chen decken hier einen, nur gar zu folgenreichen Mis- griff auf. Kant hatte von der Folge in der Zeit geredet, und diese wenigstens mit Recht nicht an Substanzen, nicht an Dinge, sondern an Zustände, an veränderliche Merk- male der Dinge geknüpft. Das Zugleichseyn ist eine an- dere Bestimmung in Hinsicht der Zeit; aber das Zeitli- che, welches sich dieser abgeänderten Bestimmung un- terwerfen sollte, muſste das Nämliche bleiben wie zuvor; sonst hing die Rede nicht zusammen. Wir sollten vor- her lernen, wodurch das Nacheinander der Erscheinun-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/375>, abgerufen am 24.11.2024.